Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill

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weiß, Wieldy. Es ist nur, letzten Samstag, da brachte ich Rosie zu ihrem Musikunterricht in der St. Margaret Street, ich parkte vor der Kirche, um auf sie zu warten. Und ich hab ihn gesehen.«
    »Den Lehrer?«
    »Nein, du Knallkopf! Roote. Im Kirchhof, dort stand er und starrte mich direkt an. Die Kirchturmuhr von St. Margaret begann neun zu schlagen. Ich sah ihn zwei Glockenschläge lang. Und bis ich aus dem Wagen kam, war er verschwunden. Aber ich hab ihn gesehen, Wieldy. Um neun Uhr, genau wie er schreibt. Ich hab Franny Roote gesehen!«
    Es klang dramatischer, als er beabsichtigt hatte. Nicht »glaubte« oder »bildete mir ein, ihn gesehen zu haben«, sondern die unumstößliche Aussage »Ich hab ihn gesehen«! Ungeduldig wartete er auf Wields Reaktion.
    Das Telefon klingelte.
    Wield hob ab, sagte »ja?«, hörte zu, sagte »Okay, im Turk’s, aber erst in einer Stunde«, und legte den Hörer auf. Eine ganze Weile lang dachte er nach, bis Pascoe sagte: »Und?«
    »Was? Ach, nichts, nur einer, den ich kenne.«
    Eine solch ungenaue Aussage hätte Pascoe normalerweise hellhörig werden lassen, diesmal verschlimmerte sie nur seine Ungeduld.
    »Ich meine das mit Roote«, sagte er.
    »Roote? Ah ja. Du glaubst, du hättest ihn gesehen, aber er ist in Cambridge. Hast du in letzter Zeit einen Sehtest machen lassen, Pete? Hör zu, ich mach mich jetzt lieber mal auf die Socken, damit Andy auch versteht, was er Dan erzählen wird. Viel Glück mit Belchamber. Wir sehen uns dann.«
    »Danke«, sprach Pascoe in die Leere hinein. »Schon schlimm genug, wenn man Gespenster sieht, aber richtig übel wird es, wenn man dann auch noch selbst unsichtbar wird.«
    Und stellte erleichtert fest, dass er darüber wenigstens noch lachen konnte.

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    4
    Die Edelfrau
     s war das beste Wochenende in Hat Bowlers Leben, kein Vergleich mit anderen Ereignissen, nicht einmal mit dem Winterwochenende vor einigen Jahren, als er nach langem vergeblichen Aufenthalt in seinem Versteck, wo er nach einer gemeldeten Blaumerle Ausschau gehalten hatte, zu seinem Wagen zurücktrottete und sie dort sitzen sah, genau auf der Kühlerhaube seines MG , wo sie lange genug blieb, damit er drei gute Aufnahmen schießen konnte.
    Es war nicht nur der Sex gewesen, sondern das Gefühl des vollkommenen Beisammenseins, das sie in allem teilten, was sie taten. Samstag war ein perfekter Tag gewesen, bis zum Abendessen, als sie ihren Teller von sich schob und meinte, »Scheiße, ich bekomme einen meiner Kopfschmerzanfälle«. Erst hatte er darüber gelacht, es als Spaß aufgefasst, dann, als ihm bewusst wurde, dass sie es nicht witzig meinte, verspürte er den heftigen Stich eigennütziger Enttäuschung. Nachdem ihr Gesicht aber jede Farbe verloren hatte, wich dieses Gefühl der Sorge um sie. Sie versicherte ihm, dass nichts sei, sie nahm eine Tablette, und als sie sich, statt sich auf ihr Zimmer zurückzuziehen, vertrauensvoll und spontan die gesamte Nacht in seine Arme schmiegte, kam es ihm wie eine Bestätigung ihrer Liebe vor, die noch stärker war als Sex. Allmählich kehrte am nächsten Morgen die Farbe in ihr Gesicht zurück, zum Mittagessen war sie so fröhlich und umtriebig wie immer, und in der Nacht … wenn Lust und Freude keine Grenzen fanden, dann in dem unermesslichen Universum, das ihr Bett in jener Nacht war.
    Sie verließen ihr Zimmer erst im Lauf des Montagvormittags, und dann auch nur, weil es Zeit zum Auschecken war. Langsam fuhren sie nach Mid-Yorkshire zurück. Sie saßen in Ryes Fiesta – Hats MG brauchte noch länger als sein Besitzer, um sich von den Schrammen und Wunden zu erholen, die er sich bei dem Rettungseinsatz zugezogen hatte –, aber es war nicht die mangelnde Leistung des Motors, sondern mangelnder Wille, der ihre Geschwindigkeit diktierte. Beide wussten aus Erfahrung, dass Lust und Freude ein zartes Gebilde waren und das Leben in seinem schäbigen Ärmel tausend Tricks versteckt hielt, um die armen, irregeleiteten Menschen in den Bankrott zu treiben, selbst wenn sie gerade ihren Gewinn einstrichen. Die Fahrt war wie eine Auszeit. Im Wagen waren sie noch voll der freudigen Gewissheit dessen, was sie im Hotelzimmer erlebt hatten, was allerdings vor ihnen lag, dessen konnten sie sich keineswegs sicher sein. Einem Abschnitt in Hats Unbewusstem, von dessen Existenz er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geahnt hatte, entsprang die schaurig-romantische Vorstellung, dass – würden sie eine schmale Bergstraße entlangfahren