Die Launen des Todes
wirkte, wusste ich, dass es meine gute Fee sein musste, als sie das Wort ergriff und sagte:
»Herr Roote? Willkommen in Fichtenburg.«
Das, Gott segne sie, war Frau Buff, die Haushälterin, eine, wie sich herausstellte, Frau von wenigen Worten, die noch dazu alle auf Deutsch waren, aufgrund deren praktischen Verstands und logischen Denkvermögens man aber versteht, warum die Schweizer die in der Welt führenden Chronometer-Hersteller sind.
Als sie mir andeutete, hinter ihr aufzusitzen (sie hatte mein Gepäck bereits am Burgeingang gefunden), und wir auf dem gewundenen Weg zwischen den dunklen Fichten losfuhren, kam mir, wohlgemerkt, in den Sinn, dass sie vielleicht doch nicht die gute Fee sei, sondern die Schneekönigin, und ich wie der kleine Kay zu ihrem Eispalast am Nordpol entführt werden sollte.
Es ist kein Eispalast, in dem ich mich jetzt befinde, sondern erfreulicherweise eine warme und komfortable und geräumige Hütte mit allen Annehmlichkeiten der Zivilisation. Es ist das Chalet, von dem Linda gesprochen hatte; es gehört zur Burg und dient, wie ich annehme, zur Beherbergung von Besuchern wie mich, die man aus welchen Gründen auch immer von der
beau monde
im großen Haus fern halten will. Frau Buff hatte dort auf mich gewartet. Als ich zur angekündigten Zeit nicht erschien, hatte sie Nachforschungen angestellt und erfahren, dass mein Flug Verspätung hatte. Als ich zum revidierten Zeitpunkt erneut nicht erschien, rief sie die Taxigesellschaft an, von der sie die Auskunft erhielt, der Fahrer habe seinen Gast wenige Minuten zuvor vor der Burg abgesetzt. Worauf sie sich, in der Annahme, der Dummkopf habe mich am falschen Ort abgeladen, auf die Suche machte.
All das klamüserte ich mir mit meinem langsam wiedererwachenden Schuljungen-Deutsch aus ihren sparsamen Antworten zusammen.
Sie war, Gott segne sie, sehr viel mehr daran interessiert, mich kulinarisch zu versorgen, statt sich mit mir zu unterhalten. Glücklicherweise hatte sie eines dieser All-inclusive-Schmortopfgerichte vorbereitet, die anders als das Airline-Essen nur besser wurden, je länger sie auf dem Herd standen.
Als sie mich reinhauen sah, deutete sie entschuldigend an, dass sie mich nun mich selbst überlassen werde. Ich versuchte ihr verständlich zu machen, dass es an mir sei, sich zu entschuldigen, nachdem sie doch schon so viel von ihrer freien Zeit für mich geopfert habe. Die Botschaft muss angekommen sein, denn während sie sich in ihren Pelz packte, als Vorbereitung darauf, in die kalte Nacht hinauszutreten, schien es meinem sich allmählich an die Sprache gewöhnenden Ohr, als sagte sie, dass nicht ihr Privatvergnügen sie fortführe, sondern der Auftrag, für Frau Lupin die Zimmer in der Burg vorzubereiten.
In der Meinung, ich hätte sie falsch verstanden, erwiderte ich in meinem gebrochenen Deutsch: »Aber Frau Lupin kommt doch nicht vor nächster Woche.«
Und als sie durch die Tür schritt, warf sie mir etwas über die Schulter zu, was die Ladung köstlichen Schmorfleisches auf meiner Gabel mitten in der Luft gefrieren ließ.
»Nicht Frau, sondern Fräulein Lupin. Ihre Tochter.«
Vielleicht hatte ich mich verhört!
Ich brach den Bann und stürzte der Frau Buff hinterher. Sie saß bereits auf ihrem Schneemobil.
»Fräulein Lupin«,
rief ich ihr zu.
»Wann kommt sie?«
»Morgen«,
antwortete sie.
»Zum Schlittschuhlaufen!«
Ich war perplex. Was in drei Teufels Namen war
Schlittschuhlaufen?
»Was ist das?«,
schrie ich, als sie den Motor anließ und sich in Bewegung setzte.
Sie zeigte mit ihrer rechten Hand vom Chalet weg.
»Auf dem See!«,
warf sie mir über die Schulter hinweg zu. Dann war sie fort.
Auf der See? Ich war verwirrt. Dann bemerkte ich zum ersten Mal, dass es aufgehört hatte zu schneien, die Wolken rissen auf, gingen ihrem sonstigen Treiben nach und hinterließen einen von Diamanten bestäubten Himmel, wie wir Stadtmenschen ihn sonst nie zu Gesicht bekommen. Hoch oben hing eine Mondscheibe, hell genug, um eine flache, nahezu vollkommen runde Wiese zu bescheinen.
Nur dass es keine Wiese war! Es war ein kleiner See. Idiot! Das musste der
Blutensee
sein, zugefroren und mit Schnee bedeckt, an dem die
Fichtenburg
lag. (
See
bedeutet nur dann »See« im Sinne von Meer, wenn es weiblich ist; weil ich das vergaß, hatte ich einst eine auf die Knöchel bekommen!)
Skating
. Schlittschuhlaufen war
Skating
. Emerald würde am nächsten Morgen zum Schlittschuhlaufen hierher kommen!
Mein immer optimistischer
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