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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Stimme, recht tief, aber eindeutig eine Frauenstimme, soweit ich das beurteilen konnte. Ich sah aber keine Frau in dem Raum. Das Singen erklang hinter weiteren groben Leinenvorhängen, die zwischen den Säulen auf der gegenüberliegenden Seite herabhingen. Aber davon wollte ich mich nicht schon wieder foppen lassen. Ich blieb sitzen und beobachtete die Wand. Plötzlich bewegte sich der Vorhang, und ein Mann in kurzem Kittel, Hosen und einer langen, buntbeklecksten Schürze trat hervor. Er trug außerdem ein grünes Barett auf seinen kurzen, rotbraunen Locken. Mit kritischem Blick betrachtete er etwas,das sich hinter dem Vorhang verbarg. Er war echt, und das Leinen war es auch. Ich muss sagen, das beruhigte mich einigermaßen. Und als der Stoff sich wieder hinter ihm schloss, musste ich mich selbstverständlich hindurchducken, um zu prüfen, was sich dahinter abspielte.
    Der Mann saß auf einer Bank und rührte in einem Tiegel etwas um und summte dabei vor sich hin. Was mich aber vollkommen in Bann schlug, war der Ausblick hinter ihm. Da endete nämlich das steinerne Gebäude und gab zwischen zwei Säulen die Sicht auf eine wundervolle Landschaft preis. Ah, auf diesen grünen Wiesen wollte ich mich tummeln, an diesem Bächlein klares Wasser schlabbern, unter diesen schattigen Farnen ruhen. Ich trabte darauf zu und – stieß mir mal wieder die Nase an der Wand.
    Verdammter Mäuseschiss!
    Und dieses Mannweib lachte auch noch.
    »Das, Kätzchen, war eines der größten Komplimente, die mir je gemacht wurden. Hast du gedacht, da geht es nach draußen?«
    Klar. Was sonst? – Menschen!
    Ich zog mich beleidigt zurück.
    Aber dennoch verließ ich die Basilika nicht. Dafür war ich viel zu neugierig. Ich beobachtete den jungen Weiß-nicht-was bei seinem Tun. Er war der Verursacher der Täuschung. Er bemalte die Wand. Jetzt erkannte ich auch meinen Irrtum. Ein Teil war nämlich mit ziemlich feuchtem, weißem Putz bedeckt, auf dem jedoch mit feinen Linien schon die Umrisse dessen, was später so naturgetreu mit Farben ausgelegt werden sollte, vorgezeichnet waren. Mich beachtetedie Person nicht weiter, sondern arbeitete geschwind mit Pinsel und Farbtöpfen an einem grünen Busch, dessen Blätter man geradezu rascheln hören konnte. Beachtlich fand ich das. Bisher hatte ich von Menschen nicht viel gehalten. Sie sahen schlechter als wir Katzen, sie konnten keine Mäuse jagen, nicht richtig auf Bäume klettern und landeten platt auf der Schnauze, wenn sie irgendwo herunterfielen, statt auf den Pfoten aufzukommen. Außerdem konnten sie kaum riechen und rochen daher ziemlich intensiv. Dass sie die Natur nachmachen konnten, war mir neu.
    Eine Zeit lang sah ich staunend zu, dann aber kam Leben in die Basilika. Als ich unter dem Vorhang hervorlugte, hatten sich die Mönche des Klosters versammelt und stimmten einen eintönigen Singsang an. Mal sang einer alleine, mal alle zusammen. Er wirkte entsetzlich einschläfernd, und ich dämmerte ein wenig weg. Deshalb kam der Angriff unerwartet.
    »Raus hier, du Mistvieh!«, raunzte mich jemand an und trat mir in die Seite. Dann blaffte er: »Habt Ihr dieses verdammte Teufelstier in die Kirche gebracht, Meister Clemens?«
    Ich war vor die Füße des Malers geflogen und gab einen Klagelaut des Schmerzes von mir.
    »Diakon Arnoldus, Ihr seid ein Unmensch. Wie könnt Ihr nur eine unschuldige Katze derart roh behandeln?«
    Ich fühlte mich hochgehoben und an die buntfleckige Schürze gedrückt. Einmal noch jammerte ich ein bisschen. Der Diakon Arnoldus giftete herum, zog sich dann aber vorsichtig von Meister Clemens zurück, als der mit kalter Stimme ein paar passende Belehrungenzum Thema Mensch und Tier von sich gab. Mit Genugtuung beobachtete ich Arnoldus’ kleinlauten Abgang. Und mit Irritation stellte ich fest, dass Meister Clemens ganz deutlich nach Frau roch. Auf meine Nase kann ich mich verlassen! Menschenfrauen riechen anders als Menschenmänner. Diese hier hatte sogar einen ganz angenehmen Geruch. Sie streichelte mich auch sehr zuvorkommend und hielt mich eine Weile auf ihrem Schoß fest, bis der ärgste Schmerz an meinen Rippen nachgelassen hatte.
    »Ein Katzenhasser, dieser Diakon. Ein scheinheiliges Ekel! Ich glaube, Kätzchen, du bist viel nützlicher als dieser jämmerliche Betbruder. Du fängst wenigstens Mäuse.«
    Ich schnurrte. Zum einen, um den Schock zu überwinden, den der unerwartete Tritt mir verursacht hatte, zum anderen auch, um der Frau meine Zustimmung zu zeigen.
    »Ist

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