Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
gefleckte Kätzchen war ihr einziges und letzte Kind.
Meiko nickte zustimmend, als die Köchin davon sprach, und meinte, die Moen habe immer gesagt, sie sei eine besonders kluge Katze. Allerdings schwieg erbeharrlich, als Elspet die Vermutung aussprach, ich sei diese letzte Tochter der alten Kätzin, die irgendwo auf dem Gutshof ihr Revier habe. Ich bemerkte, dass er versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, wie ich, die er ja eigenhändig aus dem Haus der Moen ins Kloster entführt hatte, in die Rommerskirchener Küche gelangt war.
Jehan half ihm schließlich dabei, diese Frage zu beantworten, denn er erinnerte sich nur zu gut daran, wie ich ihn, das Beutelchen mit dem Feenstein schleppend, zwei Tage später im Wald gefunden hatte. Nachdem er das vernommen hatte, führten Meiko und ich in der Nacht ein langes, vertrauliches Gespräch miteinander, in dem er mir und meinen Nachfahren jeden erdenklichen Schutz versprach.
Diabolo hatte die Ställe für sich und die beiden Jungkater ausersehen und räumte zusammen mit ihnen mächtig unter den Nagern auf. Meine Rotohrige aber zog es oft in den Wald. Manchmal brachte sie mir Grüße von Raguna, und einmal schwärmte sie mir von einem prächtigen Wildkater vor. Aber lassen wir das.
Melvinius besuchte uns oft, er hatte Arnoldus’ Aufgaben in der Kirche übernommen, und Meiko saß anschließend immer noch lange mit ihm zusammen und disputierte mit ihm über seine Predigten und die vielen Bücher, die überall herumlagen. Ich habe manches dazu gelernt. Es scheint, einige Menschen sind sogar zu durchaus vernünftigen Einsichten fähig.
Und – ganz nebenbei bemerkt – traute sich keine einzige Maus in das wohl ausgestattete Bücherzimmer,in dem es sich so ersprießlich ruhen und nachdenken ließ.
Die Jahreszeiten zogen vorüber, nicht nur ich bekam einmal im Jahr einen hübschen Wurf oft sehr schwarzer Kätzchen, auch Kristin hatte sich dreimal in ihr Zimmer zurückgezogen. Sie hatte aber jeweils nur ein Junges vorzuweisen. Meiko und sie behielten alle. Etwas überrascht hatte es mich, dass die Katryn nun auch auf dem Hof weilte, als Amme und Kindermädchen. Ihr eigenes Töchterchen wurde zusammen mit Kristins Kindern aufgezogen, und Meiko nannte es seine Nichte.
Besonders gerne rollte ich mich auf seinem Schoß zusammen, wenn er den Kindern Abend für Abend die zauberhaftesten Märchen erzählte. Er schuf für sie vielgestaltige und farbige Welten voll Liebe, Vertrauen und Wunder, und erstaunlich oft kamen darin schöne Feen und kluge Katzen vor. So wuchsen sie heran mit der Achtung vor aller Kreatur und dem Glauben an das sinnvolle Wirken der Schöpfung.
Melvinius aber war im Laufe der Jahre allmählich gebrechlicher geworden und blieb oft fort. Eines Tages im Mai kam Jehan, nun ein erwachsener und sehr ansehnlicher junger Mann, zu mir und bat mich in den Korb.
»Der Pater hat darum gebeten, Mirza«, erklärte er mir. Und ich ahnte, was geschehen war. Wir erreichten an diesem wundervollen Frühlingsabend das Kloster und wurden zu Melvinius geführt, der schwach auf seinem Lager ruhte. Stiefelchen war bei ihm, aber sie brauchte mir nicht viel zu erklären. Sein Herz holperteund stolperte kraftlos, und seine Augen wirkten eingesunken und müde.
»Jehan, Mirza, bringt mich zur Quelle!«
»Ja, Großvater.«
Sehr langsam und mit vielen Pausen wanderten wir drei über enge Wildpfade durch den blattgrünen Wald. Es schien, als ob alle Knospen an diesem Abend aufgebrochen waren und alle Blüten ihre Kelche öffneten. Ihr süßer Duft schwebte über den Hügeln und begleitete uns auf dem Weg zur Quelle.
Sie erwartete ihn schon dort, wo das silbrige Wasser schäumte, und mit einem das Herz berührenden Lächeln streckte sie die Arme nach ihm aus.
»Es ist an der Zeit!«, sagte Melvinius. Alle Schwäche fiel von ihm ab. Noch einmal umarmte er seinen Enkel, hob mich in seine Arme und flüsterte mir liebevolle Abschiedsworte in die roten Ohren. Dann ergriff er den goldenen Kelch, den die Herrin der Quelle ihm reichte, und trank ihn bis zur Neige aus.
»Auf Wiedersehen, Mirza!«, sagte der silberne Feenprinz, und auch die Schöne fuhr mir sanft über die Stirn.
»Über Jahr und Tag wirst auch du hier von der Quelle trinken«, versprach sie. Dann löste sich das Bild der beiden in einem tanzenden Nebel über dem Wasser auf.
Und damit endet auch dieses Kapitel.
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