Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
Pferd ritt und nicht gerade wie ein armer Lump gewandet war.
Dieses geheimnisvolle Verhalten machte ihn mir nicht sympathischer.
Trotz meines wohlig gefüllten Magens rollte ich mich grollend auf einem roten Bucheinband zusammen und trauerte meiner Freiheit hinterher.
Es schien, als habe Meiko mit seiner ruchlosen Tat ein Kapitel meines Lebens für immer beendet.
Ein abgeschlossenes Kapitel
Sieben Tage hielt ich es in der Bibliothek aus. Ich weiß es genau, denn im Zählen sind wir Katzen gut. Schließlich müssen wir ein Auge auf unsere Jungen haben. Ich hatte mal vier. Bis acht schaffe ich es spielend, zu zählen, darüber hinaus geht es in den Schätzbereich.
Also gut, sieben Tage hielt ich es in dem muffigen Raum aus, Pater Melvinius zuliebe. Auch weil die Mausausbeute wirklich recht passabel war. Der alte Mann war gut zu mir, fast noch aufmerksamer als die Moen, die ja nur ihre Kate geputzt hatte und sich um die Hühner kümmerte. Er hingegen verbrachte viele Stunden an seinem Lesepult, eine seltsame Konstruktion auf der Nase, über die hinweg er mir gelegentlich zublinzelte, wenn ich einen Nager aufstöberte. Nur einmal hatte er vorwurfsvoll die Stimme erhoben. Da hatte ich nämlich versucht, dieses Ding von dem Pult zu schubsen, um damit zu spielen. Die Brille, so nannte er es, sei zerbrechlich, und ich dürfe sie nicht berühren. Na gut, dann spielte ich eben mit den Mäusen. Da ich seit Neuestem häufig richtig satt war – denn er brachte mir abends immer einen Teller mit Fleischstückchen mit – trug ich die erlegten Mäuse schon mal zu ihm hin, damit er auch etwas zu kauen hatte. Er lobte mich zwar, fraß sie aber nicht. Na gut, das ist wohl Geschmackssache.
Oft, wenn ich mich nach der Mahlzeit sauber geputzt zu ihm gesellte, lud er mich doch tatsächlich ein, auf seinem Schoß Platz zu nehmen. Es war angenehm dort. Seine Kutte bestand aus ungebleichter, aber sehr weicher Wolle, schön griffig, wenn man abzurutschen drohte, und roch ein bisschen nach Kräutern und Weihrauch. Und nach Mensch, aber das war ja normal. Nett von ihm war es, mit mir zu plaudern. Hin und wieder sprach er mich direkt an und erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden. Dann antwortete ich ihm in meiner Sprache, wobei ich jedoch vermutete, dass er sie nicht besonders gut verstand. Vor allem aber genoss ich es, wenn er mir mit halblauter Stimme etwas vorlas, was da in seinen Büchern geschrieben stand.
»›Nenne mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Helden, welcher so weit geirrt...‹«, rezitierte er zum Beispiel gerade leise an jenem späten Nachmittag, als plötzlich dieser verlogene Gärtnerbursche wieder in die Bibliothek hineinplatzte. Er brachte einen Korb mit und erkundigte sich hämisch, ob ich meinen Aufgaben zur Zufriedenheit nachkäme. Wahrscheinlich wollte er mich bei unzureichender Leistung wieder in den Korb stopfen und irgendwo ersäufen. Männer wie er machten das. Meine ersten Kinder hatten dieses Schicksal erfahren. Die Galle kochte mir hoch, und ich fauchte ihn mit einem vernichtenden Blick an.
»Mirza ist eine zuverlässige Mauserin, Meiko. Dieses neue Buch ist auch bisher völlig unversehrt geblieben.« Melvinius, der Gütige, zeigte auf den dicken Folianten, der auf seinem Lesepult lag. »Ein kostbares Werk. Homers Odyssee. Unser Abt Ignaz hat es vorkurzem von dem Herrn von Rommerskirchen erworben.«
»Ach ja? Rommerskirchen? Das Gut liegt hinter dem Waldstück, das sich an die schwarzen Gärten anschließt, nicht wahr?«
»Ganz richtig. Bist du schon ein wenig in der Gegend herumgekommen?«
»Nicht viel, Pater Melvinius. Ich habe meine Aufgaben zwischen Kohl und Mohrrüben. Das reicht mir.«
»Und dieser Korb, Meiko?«
»Enthält ein paar Birnen und Äpfel für Euch. Sie sind gerade richtig reif geworden.«
»Sehr aufmerksam von dir, mein Junge.«
»Ja, dann gehe ich mal wieder.«
Ziemlich abrupt verließ der Tölpel den Raum. Melvinius aber erhob sich und schaute ihm durch das Fenster nach. Ich sprang auf den Sims und verfolgte seine Blicke.
»»Nenne mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Helden, welcher so weit geirrt nach Trojas Zerstörung‹«, flüsterte der alte Mann versonnen. »Vielgewandert und weit geirrt ist er wohl, unser Meiko, aber ist er auch ein Held? Und welches Troja wurde ihm zerstört, Mirza? »Der vieler Menschen Städte gesehen und Sitten gelernt hat und auf dem Meere so viele unnennbare Leiden erduldet, seine Seele zu retten...‹ Ich frage mich oft, was ihn
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