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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mich hergemacht. Ehrlich gesagt, ich war sauer auf mich, dass mir diese Rolligkeit so spät im Jahr noch einmal passieren musste. Die Kleinen würden kaum eine Chance haben, den Winter zu überleben. Das wusste doch jede Katzenmutter. Und ich war sauer auf den Schwarzen, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hatte. Sicher, er war ein Prachtexemplar von Katze, wenn auch von Kämpfen gezeichnet und etwas ausgefranst an den Rändern. So einen wie ihn konnte man sich als Vater seines Nachwuchses nur wünschen. Aber, verdammter Rattenkot, hätte er nicht wenigstens den Anstand haben können, mich ein bisschen zu umwerben?
    Grollend war ich nach der kurzen, heftigen und leidenschaftlichen Paarung zurückgetrottet, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Ich musste mir einen passenden Rundgang durch das Revier schaffen. Katzen lieben ihre Gewohnheiten. Ich brauchte Stellen zum Jagen, Plätzchen zum Ruhen, Bereiche,in denen ich beobachten oder Kommunikation pflegen konnte, und natürlich Fluchtwege und Verstecke. Nach zwei Tagen hatte ich eine recht gute Lösung gefunden. Der Weg über den Brüderhof, jenen öden Platz in der Mitte des Gebäudekomplexes, verschmähte ich, seit ich den Diakon Arnoldus dort hatte herumlungern sehen. Obwohl die Küche vielleicht ein ganz annehmbarer Zwischenaufenthalt hätte sein können. Ich wählte also nach dem Sprung aus Melvinius’ Fenster zunächst einmal den Gang zu den Bienenhäusern. Dann links in die Hecke, dort kurzes Mausen. Die Mäuse unter den Büschen schmeckten würziger als diejenigen, die sich von den trockenen Buchstaben in den Büchern ernährten. Weiterwandern in Richtung kleine Weide, an den träge kauenden Kühen vorbei. Verdauen, verscharren und die Runde fortsetzen, aber nicht zu nahe an den Ställen vorbei, denn dort fand ich die Markierungen der beiden Graugetigerten, die eindeutig klar machten, jeder, der sich ihrem Territorium näherte, habe mit einer gewaltigen Abreibung zu rechnen. Ich suchte doch keinen Streit! Dann in sicherem Abstand an den Hütten der Handwerker vorbei, denn da gab es einen angeketteten Hund, der unangenehme Geräusche von sich gab. Den Brotbackofen und den Ziehbrunnen rechts liegen lassen und zur Basilika. Dort zügig an der Friedhofsmauer entlang, weil sie mir die Botschaft offenbarte, der Schwarze habe hier seine Reviergrenze gezogen. Ein Stückchen weiter, oberhalb der Mauer, gab es die Pferdekoppel, und da fand sich ein wundervolles Plätzchen zum Dösen. Nach verdienter Ruhe dann Zurückschlendern über die Obstwiesen und hinein zu Pater Melvinius’ Fenster.
    In der Bibliothek die Morgenmilch nehmen. Putzen.
    Mausen.
    Lesung.
    Grübeln.
    Zweiter Reviergang, wenn Melvinius sich zum Vespergottesdienst begab. Danach brachte er immer noch ein Häppchen mit, also gewöhnte ich mir an, kurz vor der Komplet, bei Sonnenuntergang, in sein Zimmer zu schlüpfen und später in seinem Bett der Nachtruhe zu pflegen.
    Im Ganzen gesehen, war das kein schlechtes Leben.
    Langweilig war es auch nicht. Nicht nur mein Körper, auch meine naturbedingte Neugier erhielt reiche Nahrung. Zum Beispiel fand ich an einem noch immer schönen Spätsommernachmittag auf der Mauer zur Pferdekoppel ganz in der Nähe meines Ruheplatzes zwei dralle Mädchen sitzen und reife, rotbackige Äpfel verspeisen.
    Zwischen den Bissen tuschelten sie, und wenn Menschen die Stimme senkten, dann gab es immer etwas zu belauschen. Ich muss gestehen, ich bin da völlig schamlos, und dementsprechend stellte ich die Ohren auf.
    »Stell dir vor, Elli und Ännchen waren am Samstag im Herrenhaus von Rommerskirchen.«
    »Was, wirklich, Katryn? Unsere schüchterne Elli? Ich meine, bei Ännchen ist das ja was anderes...«
    »Und wenn ich’s dir sage. Es gab eine Feier nach der Jagd. Und der Herr Sivert brauchte noch Mägde in der Küche und für das Bankett. Es muss prächtig gewesen sein.«
    »Erzähl, Katryn. Von wem hast du’s?«
    »Von der Elli.«
    »Wie, tatsächlich? Hätt’ ich nie geglaubt.«
    »Sie hat erst nur das Gemüse putzen dürfen, aber später musste sie auch helfen, die Platten aufzutragen. Der Wein ist in Strömen geflossen, sagt sie. Und die Kleider der Damen... Sie sagt, alles Samt und Seide. Mit geschlitzten Ärmeln, allerneueste Mode.«
    »Und sie in ihrem braunen, fleckigen Arbeitsrock, was?«
    »Nein, der Herr hat ihr einen blauen Rock geschenkt. Dem Ännchen auch. Damit sie gleichmäßig und adrett aussehen.«
    »Ahhh... Oh, wirklich? Durften sie den

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