Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
hergetrieben hat.«
    Ich nicht.
    Meinetwegen hätte er in Troja oder auf dem Meer bleiben können.
    Aber da Melvinius ein freundlicher Mann war, riebich meinen Kopf an seinem Kuttenärmel, gurrte leise Zustimmung, und er dankte es mir, indem er mich an der Stelle zwischen den Ohren kratzte, die ich selbst bei bestem Willen nicht mit der Zunge erreichen konnte. Ich wechselte zum Dank dafür zum Schnurren über.
    Kurz und gut, es war recht gemütlich in der staubigen Bibliothek, und der schmerzliche Verlust meiner Freiheit begann weniger bitter zu schmecken, denn die Milch war süß, die mir hier täglich gereicht wurde.
     
    Aber dann wachte ich das nächste Mal in der Frühe auf und fühlte den unbändigen Drang, mich unter meinesgleichen zu begeben. Vornehmlich unter den männlichen Teil der kätzischen Bevölkerung. Es war ein überwältigendes Gefühl, und ich kratzte wie wild am Fensterrahmen und an der Tür. Pater Melvinius kam mit meiner Morgenmilch, und ich versuchte, an seinen Füßen vorbei hinauszuschlüpfen. Er hatte das aber wohl vorhergesehen und verstellte mir den Weg. Ich verlegte mich aufs Bitten. Ich gurrte und schnurrte und wälzte mich vor ihm auf dem Rücken hin und her.
    »Ei, Mirza? Jetzt noch rollig? Das ist aber sehr unzeitgemäß!«
    Was lag mir schon daran, wie unzeitgemäß es war. Im Frühjahr hatte die Moen mich eingesperrt, als es so weit war, und ich musste völlig frustriert den köstlichen Gesängen der Kater von der Kräuterkammer aus zuhören. Das passierte mir nicht noch einmal!
    Im Grunde bin ich ein phlegmatischer Charakter. So hatte Melvinius mich zumindest eingestuft, als ereinmal etwas über die vier Temperamente nachgelesen hatte. Aber jetzt kochte das Blut heiß in meinem Körper. Vor allem am hinteren Ende. Als am Nachmittag zwei der Novizen in die Bücherstube kamen, um sich von dem Pater Bibliothecarius ein paar Werke aushändigen zu lassen, gelang es mir, zwischen ihren Kutten hindurchzuschlüpfen und aus der Tür zu entwischen. Damit war ich zwar noch nicht im Freien, aber wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. Zunächst einmal befand ich mich in einem von hohen Gebäuden umgebenen, viereckigen Hof, der sauber gepflastert war. Nur ein Brunnen unterbrach die Eintönigkeit dieses öden Platzes. Aber direkt gegenüber dem Ausgang, den ich eben benutzt hatte, gab es eine weitere Tür, und aus der duftete es nicht schlecht. Ich überquerte sehr hastig den Hof, denn hier gab es keine Deckung. Schwups, war ich in dem interessanten Raum und erkannte auch gleich die Quelle des Wohlgeruchs. Hühner brieten am Spieß im Kamin. Und noch besser, ein grauer Kater lag faul ausgestreckt in einer Ecke. Himmlisch! Ich schritt mit kleinen Locklauten und erhobenem Schwanz auf ihn zu, um ihn näher kennen zu lernen.
    Er hob müde ein Lid über einem blauen Auge und schloss es sofort wieder. Beleidigt bremste ich meine Schritte. Was war das denn für ein Verhalten? Da kam ich, ganz Rasseweib, auf ihn zu, signalisierte aus allen Fellspitzen Paarungsbereitschaft, und der trübe Hänger befand es noch nicht einmal für nötig, aufzusehen. Dafür gab er einen selten dämlichen Spruch von sich: »›Wenn ihr eine Frau seht, lasst euren Blick nicht lüstern auf ihr ruhen. Wenn ihr ausgeht, kann euch natürlichniemand verwehren, Frauen zu sehen, wohl aber ist es schuldhaft, eine Frau zu begehren oder von ihr begehrt werden zu wollen. Denn nicht nur die Gebärden der Zuneigung, sondern auch die Augen erregen in Mann und Frau die Begierde zueinander.‹ So heißt es in der Klosterregel zur Keuschheit. Ich halte mich daran. Ist nicht persönlich gemeint, Kätzin!«
    Keuschheit? Also wirklich...!
    Ich schwenkte meinen Schwanz noch mal vor seiner Nase herum, aber er war wieder ins Dösen verfallen.
    Na, dann eben nicht.
    Ich zog, mit dem Hintern provozierend wackelnd, ab, um durch die offene Tür in den Sonnenschein zu treten. Ahhh, pulste nicht das Blut so begehrlich durch meine Adern, ich hätte die Freiheit in vollen Zügen genossen. So aber war ich ein wenig einseitig interessiert und schlenderte schnüffelnd, lauschend und weiterhin kleine lockende Laute von mir gebend den Kiespfad entlang. Doch, es gab Kater in diesem Revier. Ich nahm ihre Botschaften an den Steinen und Büschen wahr.
    Da sah ich sie. Zwei Grautiger. Betont gleichgültig näherten sie sich mir. Ich zierte mich ein wenig. Einer wagte es, einen Schritt näher zu kommen, als es die guten Sitten in diesem Stadium erlaubten, und

Weitere Kostenlose Bücher