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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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diese beiden rauen, kräftigen Hände mir nun Nase und Mund zuhielten, könnte ich nichts tun als warten, bis der Sauerstoffmangel mein Gehirn ausknipst. Das Herz würde vergeblich das sauerstofflose Blut durch den Körper pumpen und noch eine Weile weiterschlagen, obwohl das Gehirn schon tot ist.
    Ein fast lichtloser Vorraum, all die vertrauten Männer aus der Halle dicht zusammengedrängt, die Overalls wie nach einem langen harten Arbeitseinsatz verdreckt, und die Gesichter, soweit man sie in dem unzureichenden Licht erkennen kann, aschgrau und eingefallen. Wir ziehen unsere zerschlissenen Anzüge aus. Bereitmachen zur Säuberung!, befiehlt eine raue Stimme, deren Worte ich überraschenderweise höre. Einige kennen sich in diesem kalten, dämmrigen Bad offenbar aus, denn sie knüpfen alle ihre Kleidungsstücke mit festen Knoten aneinander, wohl damit in der Desinfektion nicht ein Teil verloren geht. Ich mache es wie sie, die Schuhe ausgenommen. Sie bleiben auf einem wilden Haufen in diesem Vorraum liegen, feucht und schimmelig.
    Nun stehen alle nackt und frierend da. Von Vorarbeitern keine Spur, aber ich weiß, dass sie da sind, unsichtbar, bewaffnet, skrupellos, irgendwo dort, von wo man uns in dieses Bad getrieben hat.
    Durch eine viel zu schmale Tür drängen wir uns in den Duschraum. In dieser Enge ist es kaum möglich, eine Berührung mit den anderen abgearbeiteten und fröstelnden Leibern zu vermeiden. Niemand schaut dem anderen ins Gesicht oder, wenigstens heimlich, auf das entblößte Geschlecht, das keiner dieser müden Gestalten zu verbergen sucht, alle blicken auf den glitschigen Estrich, der unseren Füßen das Gefühl gibt, über nasse leblose Leiber zu gehen.
    Direkt hinter der engen Schleuse steht Maciek in seinem schwarzbraunen Arbeitsdrillich, das gelichtete Haar verschwitzt, aber ordentlich geschnitten. Aus einem grauen Plastikeimer schöpft er jedem einen Soßenlöffel flüssiger Seife in die Hand, die von den Erfahreneren unter uns sofort auf der nackten Haut verschmiert wird, um keinen Tropfen davon zu verlieren. Die Seife ist grünschwarz wie Motoröl, und die Nackten sehen nun aus wie Androiden von einem anderen Stern. Maciek schöpft mir nicht mehr und nicht weniger als meinen Kameraden in die Hand. Mit keiner Geste gibt er zu verstehen, dass er mich kennt.
    Der Duschraum enthält nichts anderes als zwei fingerdicke Röhren an der Decke, aus deren Enden ein armseliges Rinnsal auf uns verdreckte Gestalten niedertröpfelt. Die Erfahreneren haben sich die Plätze direkt unter den Rohrenden gesichert und verteidigen sie nun mit rücksichtsloser Härte, bis sie Seife und Schmutz von ihren hageren Körpern gespült haben. Einer von ihnen zieht mich in den engeren Ring, der wenigstens noch vom Spritzwasser genetzt wird, Murat, nackt wie ich, mit einer Tätowierung über der linken Brust, ungefähr an der Stelle, wo das Namensschildchen an unseren Overalls festgeheftet ist, ein seltsames Tattoo, der Kopf eines Mädchens, dessen Körper in Zahlen zerfällt.
    Mit einer Schmiere aus Seife und wochenaltem Dreck verlassen wir diesen Baderaum, als nach wenigen Minuten die beiden Rinnsale wieder versiegen. Im kalten Vorraum beginnt der Kampf um die abgelegte Kleidung, die nun feucht und nach Benzin stinkend auf einem großen Haufen liegt. Wieder verstehen es jene, die schon länger hier sind und die Abläufe kennen, die ersten zu sein, die aus den Haufen die besten Stücke herausklauben, nicht immer jene, die sie zuvor schon getragen haben. Einige der noch eingeseiften Nackten sind so leichtsinnig, ihre Besitzansprüche anzumelden. Unter die Benzindämpfe mischt sich der Geruch nach Blut und Erbrochenem.
    Ich bleibe am Rand der Meute stehen. Lieber bleibe ich nackt, als mich in dieses Gemetzel um einen Haufen Lumpen zu stürzen.
    Ich blicke mich um. Am Ausgang steht Rafał und schaut mich an. Was hat er denn hier zu suchen! In seinen seifigen Händen hält er ein grünschwarzes kopfgroßes Ding. Er kommt langsam auf mich zu. Alle anderen strömen aus dem Vorraum bereits ins Freie. Rafał streckt seine Arme aus, reicht mir das Ding. Unter den öligen Schlieren schimmert das schwarzweiße Leder eines Fußballs. Rafał lächelt. Ich weine.
    Sie sei heute meinem Nachbarn begegnet, Bogdan Wolski, schreibt Cześka in einem Anflug ungewohnter Mitteilsamkeit. Er habe sie angesehen, wie Hannibal Lecter die FBI -Agentin Clarice Starling in
Das Schweigen der Lämmer
anstarrt.
    Mein Kopf brummt, als habe man mir in

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