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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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geben. Nun lass mich in Ruhe und komm nicht wieder her!«
    An diesem Abend klingt Asis’ Spiel noch schwermütiger als an den vorangegangenen. Die Bewohner der Al-Khasami-Gasse haben ihn schon erwartet, und einige stellen nun ihre Stühle vor die Tür. Asis beachtet sie nicht. Er lässt seine Finger ihren Weg über die Saiten suchen und ist ganz auf die abweisende Hauswand vor ihm konzentriert. Das kleine Fenster, hinter dem er Inaja vermutet, weil er sie dort während Nassars Hochzeit herausblicken sah, starrt verschlossen und dunkel zurück.
    Was soll dieser endlose Strom von Melodien in meinem Kopf, denkt er, wenn er nicht einmal die Kraft hat, wenigstens ein Lächeln, einen Blick nur von dem Mädchen, das man liebt, zu ertrotzen? – Die Töne fallen nun wie Sternschnuppen, und die verschleierten Frauen auf der Gasse wischen sich die Tränen aus den Augen, während die Jungen aus Verlegenheit blöde Witze reißen.
    Und dann sieht er es hinter der Fensterscheibe, das blasse Gesicht mit den tiefschwarzen Augen und dem langen schwarzen Haar, das der Perlen nicht bedarf, um ihm als das Kostbarste zu erscheinen, was er sich auf Erden vorstellen kann. Sie hat den Vorhang zur Seite geschoben. Ein wenig fahles Licht von der Straßenlaterne fällt auf sie. Mit vollkommen regungsloser Miene schaut sie ihn an. Dann schüttelt sie langsam den Kopf. Asis’ Hände erstarren mitten im Strom der Töne.
    Ist es ihr eigener Wunsch? Oder hat sie ihn nur auf Befehl ihres Vaters zurückgewiesen? Asis weiß nicht, was er tun soll. In einer anderen Welt würde er ihr einen Brief schreiben oder sie anrufen. Oder er würde sie auf dem Schulweg abpassen und sich an einem geheimen Ort mit ihr verabreden. Aber das alles ist im Jemen unmöglich. Sie ist sechzehn, eine junge Frau, und wird bald heiraten. Niemals verlässt sie alleine das Haus. Jeder Schritt von ihr wird von ihrem Vater und von ihren Brüdern überwacht.
    Am liebsten würde Asis sterben. Darf er Hamid bitten, ihr einen Brief von ihm zu übergeben? Hamid war doch mal sein bester Freund!
    Aber was soll er ihr schreiben? Er ist kein Mensch der Worte. Die Musik spricht für sich selbst. Und selbst sie verdankt er nicht dem eigenen Talent, sondern einem Blitz.
    Außer für die Schule hat er nie ein Buch gelesen. Er müsste jedes Wort von einem anderen abschreiben, einem Dichter, der Erfahrung in diesen Dingen hat und mit Worten umzugehen versteht. Doch er kennt keinen Dichter und weiß nicht, wen er danach fragen sollte. Er wollte doch sein junges Leben lang immer nur Fußballprofi werden.
    Vielleicht wären Worte, selbst Dichterworte, auch viel zu grob für das, was er empfindet. Vielleicht würden Worte sie eher verstören als für ihn gewinnen.
    Nun, er wird von heute an nicht mehr essen und trinken und so lange weiterspielen, bis sie ihr Kopfschütteln zurücknimmt und ihm ein Lächeln schenkt. Ein Lächeln, mehr will er ja gar nicht von ihr! Irgendwo in diesem verschlossenen Haus ist sie, wird ihm zuhören müssen und weinen, wenn er auf der Laute spielt und die Töne, die auf unerklärliche Weise aus dem Himmel in Asis’ Herz gefunden haben, nun in ihr Herz dringen, es verwandeln und, ja, öffnen.

12
    Er weiß, er dürfte gar nicht hier sein. Ja, das ist
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, beschämend, schlimmer noch: lächerlich! Was hätte er als Stürmer vor gar nicht langer Zeit – auch wenn es ihm inzwischen wie eine Ewigkeit vorkommt – von solch einer kindischen Schwärmerei gehalten? Er hätte wie seine Kameraden schmutzige Witze darüber gerissen!
    Für wen spielt er überhaupt? Für ein Mädchen, das sich vor ihm verbirgt; das nichts von ihm wissen will! Für ein Phantom! Er hat sie doch nur einmal richtig anblicken dürfen, damals, während Nassars Hochzeit, am Fenster. Wie kann dieses eine Mal sich so unauslöschlich in sein Hirn brennen?
    Sie hebt die Hand und fährt sich geistesabwesend durch die Haare, während sie seinem Zwiegespräch mit Bilal lauscht. Gibt es eine schönere Geste? Ihr Kopftuch ist nur unachtsam gebunden, sie feiert ja mit den anderen Frauen im Haus. Kopftücher und Schleier haben vor allem die Aufgabe, das Haar zu bändigen und zu verbergen, denn im Haar konzentriert sich die Schönheit der Frauen und das Begehren. Asis kann nicht sagen, warum das so ist. Könnte es nicht auch umgekehrt sein, dass durch das Verbergen das Verborgene sich erst mit Begehren und Schönheit auflädt?
    Sie stützt ihr Kinn auf die Faust, nachdenklich, trotzig. Was für ein anziehendes

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