Die Laute (German Edition)
verheiratet, Meister?«, wagt Asis zu fragen, und bereut schon im nächsten Augenblick, diese Frage gestellt zu haben.
»Ich bin ein Bastard, Junge«, knurrt der Alte böse, »und habe Bastarde gezeugt. Ich habe viele Frauen gehabt, so viele, dass meine ’Ud niemals Grund zur Eifersucht fand. Ja, ohne ihre Hilfe wäre wohl kaum eine Frau mir räudigem Hund verfallen!« – Der Alte bemerkt Asis’ verstörte Miene, und von einem Wimpernschlag zum nächsten ändert sich erneut sein Ton.
»Aber auch das ist kein Segen, mein Sohn, glaub mir«, sagt er mit rauer Stimme, doch ohne jede Bosheit. »Wenn du dir ein glückliches Leben mit Frau und Kindern wünschst, dann lass deine Finger von diesem verfluchten Instrument!«
9
Asis sitzt mit der Laute im Schoß da und bewegt sich nicht. Seine Hände liegen regungslos auf den Saiten, und nicht einmal seine Lider senken sich. Er hat in den vergangenen Monaten viel gelernt, ohne jeden Zweifel, aber sein Meister ist verrückt, und wenn er, Asis, sich nicht vor diesem Meister schützt, wird er bald ebenso verrückt sein.
Bilal redet weiter, als gäbe es Asis gar nicht. Seine Augen starren durch Asis hindurch, er lächelt. »Blaue Töne«, sagt er. »Blaue Töne, aber was hören wir? Immer nur die roten und gelben!« – Der Meister legt sein großes Altmännerohr an das Schallloch, sein Brustkorb hebt und senkt sich unruhig. Dann zupft er an der äußersten Saite, so hart, dass sie einen scheppernden, schmerzhaften Misston von sich gibt. Bilal knurrt zustimmend.
»Fast schon violett. Die Flamme eines Schweißbrenners. Das Herz der Flamme!« – Sein Gesicht ist schweißbedeckt. Asis hat seinen Meister noch nie schwitzen gesehen. Er hatte angenommen, dass der Alte gar nicht mehr schwitzen könne. Die Stirn ist in Falten gelegt und noch zerfurchter als üblich. Er scheint wütend zu sein, obwohl er lächelt. Er reißt nun wie jemand, der gar nicht weiß, dass er ein Musikinstrument in Händen hält, an den Saiten. Hatte Asis zunächst noch geglaubt, der Meister mache einen Witz, so beginnt er, sich jetzt vor dem zu fürchten, was sich vor seinen Augen abspielt. Er versteht es nicht. Der Unterricht begann wie immer. Vielleicht war Asis ein bisschen weniger bei der Sache als sonst, aber das hat Bilal bisher nie gestört. Wenn sein Schüler dem Unterricht nicht aufmerksam folgt, ist es nur zu seinem eigenen Schaden.
»Rot, rot, rot!«, schreit Bilal verzweifelt und lächelt, wie ein Hund lächelt, der die Zähne fletscht.
Wie hat das alles begonnen? fragt er sich. Er denkt an zu Hause. Seine Mutter will schon seit Langem, dass er mit dem Lautenspiel aufhört und sich wieder auf die Schule konzentriert. Sein Vater schweigt, wie immer, wenn er eigentlich widersprechen, aber den häuslichen Frieden nicht gefährden will.
»Das klingt wie Klatschmohn«, brüllt Bilal und schlägt mit der Faust auf den Lautenhals. »Wie eine aufgeschnittene Kehle!« – Er gurgelt und spuckt, als wäre es seine eigene Kehle, in die das Schächtblut sickert.
Asis ist wie gelähmt. Was soll er tun, wenn der Meister nun wirklich den Verstand verliert? Bilal starrt ihn an. Und plötzlich scheint er wieder wahrzunehmen, was er sieht. Mit der vertrauten, etwas rauen und mürrischen Stimme sagt er: »Du hast bisher mit den Fingernägeln gespielt. Deswegen blieb dein Klang ein wenig kratzend. Hier, nimmt das!«
»Eine Feder?«
»Ja, ein
Rischa
. Mit dem Kiel einer Feder wurde die ’Ud von den alten Meistern gespielt. Dies ist nur eine Taubenfeder. Aber wenn du selbst ein Meister bist, bekommst du einen echten
Rischa
, eine Adlerfeder. Dann erst wird der Klang deines Spiels schwerelos sein.«
Auf dem Weg zurück nach Ibb wird ihm schlagartig bewusst, dass niemand ihn wirklich kennt, Hamid nicht, und nicht der verrückte Bilal, und schon gar nicht seine Eltern. Ja, und nicht einmal Gott! Er weiß im Augenblick ja nicht einmal selbst, wer er ist
Man kennt sich nur, geht es ihm durch den Kopf, wenn man nicht über sich nachdenken muss, wie der Fußball spielende Junge, der er war, bevor der Blitz ihn traf. Man fühlt sich doch erst krank, wenn man seinen eigenen Körper spürt. Sonst lebt man ganz selbstverständlich in ihm, ohne sich seiner ständig bewusst zu sein. Genauso verhält es sich auch mit der Seele!
Kaum ist er zu Hause, bittet sein Vater ihn, beim Zuschneiden des Leders zu helfen. Schon lange hat sein Vater ihn um nichts mehr gebeten. Und Asis begreift sofort, dass sein Vater nach einer
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