Die Lautenspielerin - Roman
die Straße. Doch sobald du etwas Verdächtiges hörst, kehrst du zurück!«
Gerwin zog seinen Stoßdegen und machte sich auf den Weg. Er vermied Lichtungen, watete durch den Bach, über den sie vorhin gesprungen waren, und kam schließlich in die Nähe der Unglücksstelle. Die Bewohner der Kate mussten den Kampflärm gehört
haben, denn ein Mann, der einen Rechen in der Hand hielt, näherte sich von dort. Auf der Straße lagen drei Körper, in der Böschung schien ein weiterer zu liegen. Von den anderen Söldnern und den Pferden war nichts zu sehen oder zu hören. Langsam stieg Gerwin den Hügel hinunter und senkte seinen Degen, als der Mann mit dem Rechen zögerte.
Dann winkte Gerwin, der Mann hob ebenfalls den Arm, und sie näherten sich gleichzeitig dem Kampfplatz. Der erste Körper auf der Straße gehörte einem Landsknecht, dem ein Armbrustpfeil aus der Brust ragte. Die Augen des Mordknechts schauten gebrochen zum Himmel. Ohne einen weiteren Blick zu verschwenden, sah Gerwin nach dem zweiten Körper, dessen dunkle Kleidung ihm vertraut schien. Er drehte den Mann auf den Rücken und sah in Hans’ schmerzverzerrte Züge. Eine Schusswunde an der Schulter und Einstiche im Unterleib hatten blutige Spuren und keine Hoffnung hinterlassen. Hans röchelte, als wollte er etwas sagen, doch dann sackte der Kopf zur Seite, und ein langer Seufzer entfuhr dem geschundenen Leib. Gerwin schloss dem tapferen Knecht die Augen.
Der Landmann hatte nach dem in der Böschung Liegenden gesehen, dessen bunte Kleidung ihn ebenfalls als Landsknecht auswies. »Der ist tot! Gesindel!« Er spuckte aus und machte sich an den Kleidern zu schaffen, denn wenn er nicht alles Brauchbare mitnahm, würden es die Nächsten tun, die vorbeikamen.
Gerwin sah sich suchend nach Gero um und vernahm das klägliche Schnauben eines verwundeten Pferdes. Dem Geräusch folgend kletterte er über die Böschung hinunter in den Graben und auf der anderen Seite hinauf. In einer Mulde, inmitten von Gestrüpp und Buschwerk, lag Gero unter seinem Pferd, das eine tiefe Schnittwunde am Vorderbein und einen Stich am Hals hatte. Es blutete stark, doch bei richtiger Versorgung konnte es wieder genesen. »Eh, Mann, komm her!«, rief Gerwin den Landmann zu Hilfe.
Gemeinsam gelang es ihnen, den bewusstlosen Gero unter dem Pferd hervorzuziehen. Gerwin untersuchte den Knecht und konnte außer einem Streifschuss am Arm, Schnittwunden im Gesicht und an den Händen keine Verletzungen feststellen. »Kann ich ihn bei dir lassen? Du kannst alles haben, das Pferd, die Kleidung und die Waffen der Toten. Ich hole meinen Freund, und wir schaffen ihn nach Ilmenau.«
»Davor liegt ein kleines Dorf. Dorthin solltet Ihr gehen. Die Bewohner sind sehr fromm, und es wird gemunkelt, sie seien keine Lutheraner, aber sie werden Euch helfen.«
Gero stöhnte und bewegte sich. Der Landmann kniete sich neben den Verwundeten und sagte zu Gerwin: »Geht nur, ich warte hier.« Der Mann hatte ein wettergegerbtes Gesicht und einen ausgemergelten Körper. Mit der Beute, die er hier machte, war er für Wochen versorgt. So gesehen kamen den armen Landbewohnern Überfälle nicht ungelegen, immer gesetzt den Fall, sie wurden nicht selbst zum Opfer.
Hippolyt zeigte sich erfreut über Geros vergleichsweise geringe Verletzungen und stimmte sofort zu, den treuen Beschützer ins nahe Dorf zu bringen. Dort wurden sie von einem Kuhhirten zum Dorfvorsteher, dem wohlhabenden Kaufmann Matthias Marschede, gebracht. Es war ein großer, hagerer Mann mit ernstem Gesicht. Seine schwarze Tracht, der steife weiße Kragen und seine zurückhaltende Art wirkten auf Gerwin anfangs befremdlich, doch Hippolyt schien sich nicht daran zu stören. Matthias Marschede wies ihnen eine Kammer zu und lud sie zu einem späten Abendessen in die Gesindeküche. Seine wichtigsten Arzneien und medizinischen Utensilien trug Hippolyt stets in einer Tasche bei sich, so dass er noch über Salbe und Wundtinktur für Geros Wundversorgung verfügte. Ihre Kleider und warmen Mäntel waren mit den Packpferden verloren.
Sie hatten Gero auf das schmalere Bett gelegt. Das größere würden sich Gerwin und Hippolyt teilen müssen. Es fiel Gero
schwer zu sprechen, und er hielt sich seine Rippen. Als sie ihn entkleideten, entdeckten sie den Grund. Das Pferd hatte ihm mehrere Rippen gebrochen, und der Oberkörper war von sich verfärbenden Quetschungen überzogen.
»Lieg still, Gero«, ordnete Hippolyt an und strich eine nach Kampfer riechende Salbe
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