Die Lautenspielerin - Roman
Genehmigung zu prüfen, dass es Gero ohne Schwierigkeiten gelang, sein Bestechungsgeld erfolgreich einzusetzen. Sie wurden durchgewinkt und machten sich auf den Weg zum Fischmarkt, in dessen Nähe sich das Haus des jüdischen Goldschmieds befand.
»Ihren Wohlstand verdankt die Stadt dem Waidhandel«, sagte Hippolyt, während sie eine Reihe stattlicher Lagerhallen und Bürgerhäuser mit aufwendigen Schweifgiebeln und üppiger Ornamentierung passierten. »Am Anger, unten am Fluss, wird das Färbemittel angeliefert und dann in die Lagerhäuser zur Weiterverarbeitung gebracht. Morgen früh wirst du all die blauen Tücher sehen, die sie zum Trocknen aufhängen.«
»Dort vorn seht Ihr das Haus von Jakob Naffzer. Es heißt ›Zum roten Ochsen‹. Naffzer ist der Oberratsmeister«, sagte Gero.
Ein dreigeschossiges Gebäude mit einem von Säulen gerahmten Gewändenischenportal wurde von einem Gebälk mit Metopenfries
abgeschlossen, in dessen Mitte der namengebende Ochse abgebildet war. Die Fensterachsen waren durch Pilaster getrennt, wobei man sich auf die antike Säulenordnung berufen hatte: Im Erdgeschoss fanden sich toskanische, im ersten Obergeschoss ionische und im Giebelfeld korinthische Kapitelle. »Seraphin sei Dank«, murmelte Gerwin.
»Was?«, fragte Hippolyt.
»Oh, ich musste bei dieser Fassade an Seraphin denken.« Und er erläuterte Hippolyt seine Beobachtung.
»Brav, Gerwin. Aus dir wird noch ein wahrhaftiger Junker.« Hippolyt lachte verhalten. »Hast du schon einmal von den Meistern Hans Sebald Beham und Peter Flötner gehört?«
»Nein.« Gerwin fiel auf, dass Hippolyt seinen Gehstock nicht benutzte. Anscheinend stärkte ihn das Reiten.
»Nun, beide Künstler stammen aus Nürnberg. Beham und sein Bruder Bartel haben im Umkreis Dürers gearbeitet und sind wegen ihres Eintretens für die Reformation aus der Stadt vertrieben, bald darauf aber wieder zurückgeholt worden. Das war vor zwanzig Jahren. Die Gebrüder Beham und Georg Pencz haben eine ganze Reihe wichtiger Kupferstiche mit mythologischen und allegorischen Motiven geschaffen, die als Vorlage für Bauten dienen. Auch Goldschmiede wie der Katzenberg, den wir gleich besuchen, greifen auf solche Muster zurück.« Während des Gesprächs waren sie an weiteren gediegenen Bürgerhäusern vorbeigegangen und standen jetzt vor einem Tor, welches zu einem zweigeschossigen Haus mit schlichtem Stufengiebel gehörte.
Ein bescheidenes Schild kündete vom Gewerbe des Bewohners. Gero ließ den schweren Messingtürklopfer gegen das Tor fallen.
»Die Zeiten haben sich wohl geändert. Jetzt dürfen jüdische Goldschmiede in der Stadt ihrem Gewerbe nachgehen«, meinte Gerwin, während sie darauf warteten, dass man ihnen öffnete.
Gero warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Ihr habt keine Vorstellung von den Schwierigkeiten und Widerständen, mit denen
Juden noch immer zu kämpfen haben. Außerdem ist Erfurt halb katholisch und zur anderen Hälfte reformiert. Hier ist gar nichts einfach oder selbstverständlich!«
Eine Klappe hinter dem vergitterten Guckloch wurde geöffnet. »Wer da?«, fragte ein älterer Mann, der sich als Majordomus des Hauses Katzenberg vorstellte und sie hereinließ, nachdem er ihre Identität erfragt hatte. Auf seinem Mantel sahen sie einen gelben Ring, das Judenzeichen, das zu tragen alle Juden verpflichtet waren.
Eli Katzenberg war ein freundlicher Mann mit weißem Bart und einem runden Käppchen auf dem Hinterkopf. Wie sich herausstellte, hatte Eli bereits mit Jerg und Hippolyt zusammengearbeitet.
Es war kurz vor Mitternacht, als der alte Goldschmied Hippolyt und Gerwin in seine Stube bat. Gero und die anderen drei Knechte schliefen bereits in ihrem Quartier.
Eli saß in einem Sessel vor dem Kamin. Sein golddurchwirkter Mantel schimmerte im flackernden Licht der kleinen Flammen. Er hob seinen Becher. »Auf unsere Freunde!«
»Alte und neue!«, sagte Hippolyt und nickte Gerwin zu.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte der Goldschmied Gerwin, der weiterhin Bart und höfische Haartracht pflegte. »Wer seid Ihr denn nun?«
»Mein Schüler«, sagte Hippolyt. »Er ist auf dem Wege, ein großer Medicus zu werden.«
»Ah! Wo habt Ihr studiert?«, fragte Eli. Seine Stube war mit Teppichen ausgelegt. Die Möbel wirkten orientalisch, und auf dem Tisch standen ein siebenarmiger Leuchter und anderes Gerät, das Gerwin als liturgisch einstufte.
»Ich bin sein Lehrer, Eli. Er kommt aus einem Dorf in Sachsen. Er hat die Gabe«, beeilte
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