Die Lautenspielerin - Roman
Junge, in dem ich von Beginn an mehr sah als einen Ochsenkarrenführer.«
»Du bist doch nicht meinetwegen geblieben!« Einige Krähen flatterten aus einer Baumgruppe auf.
»Bist du es nicht wert gewesen?«
Beschämt senkte Gerwin den Blick.
»Und ja, ich brauchte diese Jahre der Zurückgezogenheit, genau wie Jerg.« Hippolyts Blick glitt in die Ferne. »Nachdem Renée de France sich in Montargis niedergelassen hatte, ruhten die Hoffnungen der französischen Protestanten auch auf ihr. Sie hat sogar Calvin in ihrer Residenz empfangen. Eine so willensstarke Frau mit Ausstrahlung brauchte die Bewegung. Doch ihre Tochter Anna d’Este ist überzeugte Katholikin und ihrem verstorbenen Gatten treu ergeben. Im März 1562 machte Herzog François de Guise mit seiner schwangeren Gemahlin und dem kleinen Henri auf dem Weg nach Paris in Vassy Halt, um dort die Messe zu besuchen.«
»Das Massaker von Vassy!«
»Du hast natürlich davon gehört. Die Hugenotten hatten damals
das Recht, Gottesdienste abzuhalten, aber nicht unter freiem Himmel und nicht zur selben Zeit wie die heilige Messe. Nun, der Herzog de Guise fühlte sich provoziert, und das Unglück nahm seinen Lauf - die unbewaffneten Hugenotten wurden niedergemetzelt: Kinder, Greise, Frauen, zertrampelt, an den Haaren fortgeschleift, mit Schwertern durchbohrt, als wären sie der Antichrist.« Hippolyt ordnete die Zügel auf seinem Sattelknauf. »Im Februar des folgenden Jahres - der Herzog de Guise belagerte Le Portereau, wo die Pest ausgebrochen war, und wollte dann Orléans nehmen - wurde er auf der Brücke von Saint-Mesmin niedergeschossen. Natürlich wollten die Katholiken den Mord Admiral Coligny in die Schuhe schieben. Wirklich beweisen konnten sie es nicht, doch Katharina kam der Mord am allzu machthungrigen Herzog nicht ungelegen, denn sie ist davon überzeugt, dass die Guisen nach der Krone Frankreichs streben.«
»Tun sie das denn nicht?«, wollte Gerwin wissen.
Sein Freund hob die Schultern. »Sie würden es nie zugeben, doch alles deutet darauf hin. Das Ergebnis dieser furchtbaren Ereignisse war das Edikt von Amboise, ein Rückschritt für die Hugenotten. Von nun an galt ein sehr eingeschränktes Recht auf Predigterlaubnis, in Paris sind Gottesdienste bis heute gänzlich verboten. Die verwitwete Herzogin de Guise verfolgt die Hugenotten, allen voran den Admiral, mit ihrem Hass, und ihrer Mutter in Montargis wurden die Hände gebunden. Einzig das gute Verhältnis zwischen Mutter und Tochter hat verhindert, dass der König Montargis mit Truppen umstellen ließ. So ist es bis heute. Die Dame von Montargis wird streng bewacht und jeder ihrer Schritte beobachtet.«
»Und Michel de l’Hôpital? Was für ein Freund ist das?«
»Nun, Michel de l’Hôpital war …« Hippolyt wurde rüde unterbrochen. Gero riss den Arm in die Höhe und schrie: »In den Wald! Reitet in den Wald!«
Hinter einer Baumgruppe preschten drei Berittene hervor, und
aus der Böschung sprangen zwei Söldner, unschwer an ihren Hellebarden und den bunten Hosen zu erkennen. Einer zielte mit seiner Pistole auf Gero, doch es zischte an Gerwins Ohr, ein Armbrustpfeil traf den Angreifer, und der Schuss ging in die Luft. Gerwin wollte Gero zu Hilfe eilen, doch Hippolyt schrie: »Lass das Packpferd und komm mit mir, Gerwin!«
Sie ließen die verängstigten Tiere laufen und gaben ihren Pferden die Sporen, um den Wald hinter der Kate zu erreichen, in dessen dichtem Unterholz sie sich verstecken konnten, denn der Übermacht der Angreifer waren sie in offenem Kampf nicht gewachsen, zumal weder Gerwin noch Hippolyt erfahrene Kämpfer waren. Ohne auf Zweige zu achten, die ihnen entgegenschlugen, drängten sie die Pferde tief in das Halbdunkel des Mischwalds und hielten erst an, als sie keine Verfolger mehr hörten. Die wertvollen Wämser lagen festgeschnallt hinter ihren Sätteln.
Hippolyt stieg wortlos ab und bedeutete Gerwin, es ihm gleichzutun. Sie strichen den schwer atmenden Tieren über die Nüstern und verharrten einige Minuten, die Gerwin wie Stunden vorkamen, unter den Zweigen einer Esche.
»Wir müssen nach ihnen sehen, Hippolyt. Wir können sie doch nicht einfach dem Mordgesindel überlassen!«, flüsterte Gerwin schließlich.
»Es ist ihre Aufgabe, uns zu schützen. Sie wissen das, Gerwin, und erwarten, dass wir uns in Sicherheit bringen.«
»Wir sind nicht weit von Ilmenau entfernt und können Hilfe holen.«
»Na schön, ich warte hier mit den Pferden, und du wagst einen Blick auf
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