Die Lautenspielerin - Roman
war. Auf einem marmornen Konsoltisch stand eine Tischuhr in Form eines Türmchens und daneben eine bemalte Figur des heiligen Johannes. Sie ließen sich auf einer Truhe nieder, als der Diener die Erfrischungen servierte.
»Es ist so schön, Euch wieder spielen zu hören und Euch wohlauf zu sehen. Wie geht es Eurem Sohn?«, fragte Morel.
»Danke, gut. Monsieur Morel, warum macht Maestro Adriaen solch zweideutige Bemerkungen über Madame de Montpensier? Sie scheint sehr jung, was könnte sie gegen mich haben?«
Morel schluckte das Stück Pastete hinunter, das er sich eben in den Mund gesteckt hatte, und schnippte einen imaginären Fussel von Ärmel seines Wamses. »Der Maestro kennt die Familie Nemours beziehungsweise Guise ein wenig durch seine Anstellung hier, aber macht Euch keine Gedanken. Catherine de Montpensier ist als durchtriebenes, intrigantes Frauenzimmer bekannt, das ist kein Geheimnis. Wo ihre Mutter tolerant ist, zeigt Catherine eine fast trotzige papistische Gesinnung.«
Verstohlen musterte Jeanne die berüchtigte Montpensier. Die junge Herzogin war nicht hässlich, aber die Schönheit ihrer Mutter
hatte sie nicht geerbt. Sie war klein, zierlich und wirkte zäh, was auch an den verkniffenen Zügen und ihrem kühl abschätzenden Blick lag. Zudem konnte sie ein leichtes Hinken nicht ganz verbergen.
»Solange Ihr kein Geheimnis habt, das sie aufdecken könnte, denn dafür hat Catherine eine Vorliebe, braucht Ihr Euch nicht zu sorgen.«
Jeanne fühlte eine vage Angst aufsteigen und beschloss, Morel ihr Herz zu öffnen. »Ich muss Euch etwas anvertrauen. Himmel, ich hätte niemals gedacht, dass es von Bedeutung wäre.« Die folgenden Worte flüsterte sie Morel ins Ohr: »Meine Mutter war Christine de Bergier. Ihr Bruder ist Julian de Bergier, und er war beteiligt an dem Attentat auf den seligen Herzog de Guise.« Ihre Hände zitterten. »Aber das ist Jahre her! Sie haben ihre Rache gehabt, und meine Mutter gehörte zu den Opfern …« Ihr brach die Stimme.
Erschrocken ergriff Morel ihre Hände. »Lasst Euch nichts anmerken und sprecht um Gottes willen mit niemandem darüber. Je weniger Menschen davon wissen, desto besser. Catherine ist ein merkwürdiges Frauenzimmer, von einem unmäßigen Stolz auf die Guisen besessen, und sie vergöttert ihren Bruder Henri, der die Mörder seines Vaters noch immer verfolgt. Obwohl das Gerichtsurteil die Sache beigelegt hat und Admiral Coligny und seine Leute von jeder Schuld freigesprochen wurden.«
Als Jeanne am späten Abend mit einem Kerzenleuchter in der Hand durch die stillen Gänge ihres ehelichen Heimes schritt, kam ihr ein Gedanke. In der Werkstatt ihres Vaters brannte noch Licht. Sie klopfte und trat ein. Ihre festliche Robe raschelte über die Dielen, doch ihr Vater bemerkte sie nicht. Sein Gehör ließ nach, und manchmal schien er abwesend und orientierungslos. »Vater.«
» Mignonne , so spät noch? Ist etwas geschehen?« Besorgt sah Endres
von seiner Werkbank auf und legte eine halbfertige Rosette aus der Hand.
Jeanne legte ihm den Arm um die Schultern und küsste ihn auf die Schläfe. Ihr enges Mieder nahm ihr den Atem, und sie zog an den Schnüren. »Diese Mode ist grässlich, vor allem dieser alberne hohe Kragen!«
»Er steht dir aber sehr gut.«
Die neue Laute mit dem Doppeladler in der Rosette hing an der Wand. »Sag mir, Vater, für wen hast du sie gebaut?«
»Sie ist kein Auftragswerk, das weißt du doch«, erwiderte Endres erstaunt und rieb sich die müden Augen.
»Vater, ich war vorhin im Hôtel de Nemours und habe das Wappen der Herzogin gesehen. Die Este führen einen Doppeladler in ihrem Wappen wie in dieser Rosette. Ist das Zufall?«
Endres deutete ein Lächeln an. »Nun, vielleicht nicht gänzlich. Immerhin bist du dorthin eingeladen worden, und ich dachte, dass die Herzogin sich möglicherweise für meine Instrumente interessiert, wenn sie dich erst spielen gehört hat.«
»Genauso ist es. Aber da ist noch etwas. Sie glaubte, mich schon früher einmal gehört zu haben. Da das nicht sein kann, frage ich mich, ob sie eventuell bei einem von Mutters Konzerten war? Wir gleichen uns wohl sehr in Aussehen und Spiel.«
»Jeanne, wenn dem so wäre, hätte ich dir verboten, hier in Paris zu spielen!« Entrüstet sah ihr Vater sie an. »Was denkst du denn von mir? Ich komme in die Jahre, und meine Hände gehorchen mir nur noch widerwillig, doch ich bin nicht vergreist! Allerdings, wenn ich darüber nachdenke … Deine Mutter hat an
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