Die Lautenspielerin - Roman
vorgestellt worden war, tuschelte ununterbrochen mit einem edel gewandeten Höfling und warf Jeanne immer wieder versteckte Blicke zu.
Kaum waren die letzten Töne verklungen, klatschte die Herzogin de Nemours begeistert Beifall, und ihre Gäste fielen ein. Jeanne bedankte sich bei Adriaen und den anderen Musikern, als es plötzlich ganz still wurde. Jeanne wandte sich um. Die Herzogin stand vor ihr und lächelte sie wohlwollend an.
Erschrocken sank sie in einen tiefen Knicks. »Euer Durchlaucht.«
Ein Fächer wurde sanft unter ihr Kinn gelegt und zwang sie zum Aufstehen. »Bianca hat nicht zu viel versprochen. Euer Spiel ist außergewöhnlich, und ich überlege, wo ich Euch schon einmal gehört haben könnte.«
Anna d’Este, Herzogin von Nemours, war doppelt so alt wie Jeanne und schien in der Blüte ihrer Jahre zu stehen. Ihrem zweiten Gatten hatte sie im vergangenen Juli das zweite Kind geschenkt, doch die Schwangerschaften hatten weder ihrer schlanken Figur noch ihrem schönen Gesicht zum Schaden gereicht. Sie strahlte die innere Stärke und Ruhe einer Frau und Regentin aus. Als verwitwete Guise, Tochter einer königlichen Mutter und Frau eines der mächtigsten französischen Adelshäuser war sie eine ernst zu nehmende Rivalin für Katharina de Medici. Schwer wog darüber hinaus Annas Sohn Henri de Guise, der heimlich, doch immer öfter, als König von Paris beschworen wurde. Dazu trug seine Liaison mit Katharinas schöner, leidenschaftlicher Tochter Margot bei. Eine Heirat war für Henri und seine Familie erstrebenswert, für Katharina und König Karl dagegen ein unkalkulierbares Risiko, das es um jeden Preis zu verhindern galt.
All dies wusste Jeanne, und sie ahnte, dass die Herzogin vor Jahren ihre Mutter, Christine de Bergier, spielen gehört hatte. Die Erinnerung an diesen Namen durfte jedoch in keinem Fall
geweckt werden. Deshalb wehrte sie vehement ab: »Nein, Durchlaucht. Ich hatte ganz sicher nicht das Vergnügen, bereits für Euch zu spielen. Heute ist das erste Mal, und ich bedanke mich sehr für diese Einladung.«
»Ein schönes Instrument, das Ihr da spielt. Ich sammle alles Schöne und Wertvolle. Woher habt Ihr die Laute?«
»Mein Vater hat sie gemacht, Euer Durchlaucht. Er ist ein Meister seines Fachs«, sagte Jeanne voller Stolz.
»Wie seine Tochter. Das gefällt mir. Er soll mir seine Instrumente bei Gelegenheit zeigen«, sagte die Herzogin huldvoll und entließ sie mit einem Nicken.
Adriaen sagte leise: »Ihr habt großen Eindruck gemacht. Selbst ihre Tochter hat Euch bemerkt. Ob das gut oder schlecht ist, müsst Ihr selbst herausfinden.«
»Ihre Tochter? Bitte, sprecht nicht in Rätseln. Ich bin mit den höfischen Ränken nicht vertraut«, beschwerte sich Jeanne.
Der Clavecinspieler zog die Augenbrauen in die Höhe, was seinem Gesicht einen leicht diabolischen Ausdruck verlieh. »Ihr wisst nicht, dass Catherine de Montpensier die Tochter der Herzogin aus erster Ehe mit François de Guise ist? Catherine hat vor zwei Monaten den alten Louis de Bourbon, Herzog von Montpensier, geheiratet. Eine Verbindung auf höchster Ebene - einem stolzen jungen Füllen wie Catherine jedoch sicher nicht nur zur Freude.«
Jeanne wunderte sich über die vertrauliche Art, wie Adriaen über Catherine sprach. »Wie lange, sagtet Ihr, seid Ihr schon Maestro im Hause Nemours?«
»Ich sagte gar nichts, aber ich bin seit zwei Jahren in den Diensten Ihrer Durchlaucht.« Er fuhr über die Tasten des Clavecins. »Sie lässt mir allen Freiraum, den ich zum Komponieren benötige. Eine bessere und gütigere Herrin kann man sich nicht wünschen. Und Ihr? Wie stellt Ihr Euch Eure musikalische Zukunft vor?«
Betrübt strich Jeanne über ihre Laute. »Das hängt leider nicht
allein von mir ab. Mein Gatte ist Mitglied des consistoire der Pariser Hugenottengemeinde.«
»Oh.« Doch in diesem einen Wort lag das Verständnis von jemandem, dem der Glaube nicht fremd war.
»Nun, wir werden sehen«, ging Jeanne darüber hinweg und freute sich, dass Jean Morel auf sie zusteuerte.
»Jeanne, meine Liebe! Bitte, auf ein Wort.« Der Edelmann reichte ihr den Arm und führte sie in eine Ecke, in der sie ungestört plaudern konnten. Als ein Diener mit einem Silbertablett, auf dem winzige Fisch- und Eipasteten angerichtet waren, vorüberkam, hielt er ihn an. »Von allem zweimal und zwei Gläser von dem vorzüglichen Burgunder.«
Sie standen vor einem riesigen venezianischen Spiegel, dessen Goldrahmen allein ein Vermögen wert
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