Die Lautenspielerin - Roman
wieder gegenübertreten zu können.
Der Colonel klopfte mit seinem Degenknauf gegen die Sitzbank
des Kutschers, rief ihm die Adresse zu, wies ihn jedoch an, einen Umweg zu fahren. Der Wagen ratterte gemächlich über die schlecht gepflasterten Straßen. Es war noch früh am Tag, aber die Hitze staute sich bereits zwischen den Häusern. Die dicke Kotschicht, die ganz Paris zu ersticken drohte, war trocken, und der widerlich stinkende Staub klebte in allen Poren. Dünne Tücher vor den Fensteröffnungen schützten die Insassen des Wagens zumindest vor dem Staub.
»Madame, lasst mich die Lage kurz erklären, bevor ich Euch nach Hause bringe«, begann Schomberg.
»Was gibt es noch zu klären? Ich wurde entführt und zur Notzucht erpresst, und das von einem Mann, der es eigentlich nicht nötig hat, Frauen zum Beischlaf zu zwingen. Das heißt, niemand wird mir glauben.« Sie hob das Kinn und sah Schomberg direkt in die Augen.
»Ja, ein bedauerlicher Vorfall, wirklich, äußerst unangenehm, doch bedenkt den Ernst der politischen Lage! Die Tinte auf dem Friedensedikt von Saint-Germain - gelobt sei Gott dafür! - ist noch nicht trocken, und die Guisen und gestandene Feldherren sind gegen diesen Vertrag. Sie sagen, und das nicht zu Unrecht, dass sie die Hugenotten mit Waffengewalt geschlagen haben und jetzt mit teuflischen Urkunden besiegt werden! Wisst Ihr, wie die Pariser über das Edikt reden? Sie nennen es den Frieden des Teufels!«
Jeanne presste sich die Hände gegen die Schläfen. In ihrem Kopf drehte sich alles. »Seid Ihr Hugenotte? Ihr habt einen deutschen Akzent.«
»Ich stamme aus Sachsen. Mein Vater, Wolf von Schönberg, ist der Oberberghauptmann in Freiberg.«
»Wirklich?« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mein Vater und ich waren einige Zeit in Sachsen.«
»Madame, ich reise in einigen Tagen in die alte Heimat und könnte Briefe mitnehmen, falls Ihr das wünscht.«
»Nein, es gibt niemanden dort, dem ich etwas zu sagen hätte.«
Schomberg holte einen verschlossenen Krug unter seinem Sitz hervor. »Dünnbier. Möchtet Ihr?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sind wir nicht bald da?«
»Wir sind dort, wenn ich es wünsche. Madame, hört mich an. Der Herzog hat es bereits angedeutet, doch ich sage es in aller Deutlichkeit: Ihr seid nie entführt worden. Weder der Herzog noch seine Schwester haben Euch ein Leid getan. Verinnerlicht das, und es wird Euch nichts geschehen! Ihr könnt sagen, dass Ihr der persönliche Gast des Herzogs wart, der Euer Lautenspiel hören wollte.«
»Das ist doch lächerlich! Niemand wird das glauben!«, stieß Jeanne verzweifelt hervor.
Er beugte sich vor, nahm ihre Hände und drückte sie sanft. »Ich bitte Euch, Madame. Der König wäre außer sich, wenn er von diesem Frevel der Guisen erführe, er nähert sich gerade Admiral Coligny an. Ein dauerhafter Friede ist möglich, aber er hängt an einem seidenen Faden. Paris ist ein Pulverfass!«
»Colonel, wir nähern uns dem Haus«, rief der Kutscher.
»Halt den Wagen einen Moment an«, erwiderte Schomberg und wandte sich erneut an Jeanne. »Ich halte Euch für klug, Madame, Ihr seid mit Hippolyt bekannt, den ich aus vielen Gründen sehr schätze, und deshalb mache ich mir die Mühe einer ausführlichen Erklärung.« Er seufzte. »Der Herzog de Guise ist mein Freund, und ich würde alles tun, um ihn zu schützen. Meine uneingeschränkte Loyalität gehört jedoch dem König, in dessen Diensten ich stehe. Das Wohl Frankreichs steht an erster Stelle, und ein dauerhafter Friede zwischen den Konfessionen ist dafür unabdingbar. Ihr wisst, wie schwer es die protestantischen Fürsten in deutschen Landen hatten, die neue Religion durchzusetzen, aber es hat sich ein Konsens gefunden! Cuius regio, eius religio 34 - das hat der Augsburger Religionsfriede geschafft!«
Jeanne hörte zu, es blieb ihr nichts anderes übrig. Doch dieser schneidige Höfling konnte noch so viele schöne Worte machen, ihr gedemütigtes Frauenherz würde er dadurch nicht besänftigen.
»Europa braucht nichts nötiger als Frieden! Die Türken bestürmen die Grenzen im Osten und das Mittelmeer. Wie sollen wir sie aufhalten, wenn jedes einzelne Land von blutigen Bruderkriegen überzogen ist? Von Eurem Verhalten hängt viel ab!« Er hüstelte. »Der Friede ist so wichtig, dass ein Menschenleben kein zu großes Opfer wäre …«
Jeanne faltete die Hände in ihrem Schoß und sagte voll Bitterkeit und Resignation: »Ich habe wohl keine Wahl. Wenn Ihr oder
Weitere Kostenlose Bücher