Die Lautenspielerin - Roman
er Gerwins vorwurfsvollen Blick auffing. »Sieh nicht mich an. Ihr habt euch sicher viel zu sagen.«
»Nun, ich bin mir nicht sicher. Wenn die Gerüchte wahr sind, dass Jeanne den Herzog vorzieht …«, begann Gerwin kühl.
Der verzweifelte Schluchzer Jeannes unterbrach ihn. Ohne nachzudenken, ging er zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie hielten sich fest umschlungen.
Hippolyt trat zur Tür. »Ich klopfe, sobald jemand nach Jeanne fragt. Si vis amari, ama! 39 «
Gerwin murmelte an Jeannes Haaren: »Wie recht er hat. Ich habe ihn und seine spitzfindigen Weisheiten vermisst.«
»Es tut mir so leid …«, begann Jeanne, doch Gerwin drückte sanft einen Finger auf ihre Lippen.
»Erzähl mir, was geschehen ist, Jeanne. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.«
Sie hatten sich lange noch nicht alles erzählt, als Hippolyt klopfte und nach ihnen rief. »Kommt, rasch. Die Lieblingszwergin der Alten schleicht hier herum. Wir können nicht riskieren, dass sie euer Geheimnis an Cosmè verkauft.«
Der Mond schien hell über Paris, und die Sterne funkelten, als gewährten sie der Stadt einen Moment des Innehaltens, ein Atemholen vor dem großen Sturm, der über die Stadt hinwegfegen und sie in Blut ertränken sollte. Mit dem Läuten der Glocken zur Frühmesse erwachte der Louvre zum Leben. Von der Seine schallten die Rufe der Schiffer und Packer herauf, und die Händler, Handwerker und Stadtbewohner nahmen ihr Tagwerk auf.
»Komm schnell! Seraphin braucht unserer Hilfe!« Hippolyt rüttelte Gerwin wach und riss ihn aus süßen Träumen. Die Jahre im Feld und auf der Straße hatten ihn gelehrt, sofort hellwach zu sein. Er sprang von dem Lager auf, das er sich mit Hippolyt geteilt hatte, kleidete sich an und fuhr sich durch die Haare. »Was gibt es?«
Hippolyt stand mit einem bis an die Zähne bewaffneten Schweizergardisten vor ihm und packte ihn am Arm. »Komm!«
Gemeinsam rannten die drei Männer durch die Korridore des Louvre, vorbei an Zechern, die neben ihrem Erbrochenen eingeschlafen waren. Zwei Diener wickelten einen Körper in ein Laken und schleiften ihn fort. Auch diese Nacht hatte ihre Opfer gefordert. Hippolyt eilte mit Riesenschritten voraus und sagte keuchend: »Es wird von Nacht zu Nacht schlimmer! Joachim Kreyfuß hier wird uns in der Stadt beschützen. Seraphin hat nach uns geschickt. Es ist etwas mit Lady Dousabella.«
Dank Kreyfuß’ militärischem Äußeren konnten sie die Kontrollen innerhalb des Palastes passieren und verließen die düsteren Mauern.
»Dann war Seraphin gestern bei ihr?«, fragte Gerwin, wich einem Gemüsekarren aus und stapfte dafür in einen Kothaufen.
»Ja. Sie ist wieder in Paris, genau wie Walsingham. Jesuiten!« Angewidert deutete Hippolyt auf zwei schwarz gewandete Ordensbrüder, deren verschlossene, asketische Gesichter wenig anziehend wirkten. »Schlimme Aufwiegler sind das.«
Sie kamen am Hôtel Condé vorbei, von wo es nur noch zwei Querstraßen bis zur Porte de Buci waren. Kreyfuß stieß sich näherndes Gesindel einfach zur Seite, so dass sie unbehelligt bis zum Haus von Lady Dousabella gelangten. Vor der Tür hielt der große Martin bereits nach ihnen Ausschau.
»Das Ihr so schnell kommen konntet, ist ein Segen, Monsieur! Unsere liebe Madame ist plötzlich erkrankt. Aus heiterem Himmel!« Aufgeregt lief Martin vor ihnen die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich das Schlafgemach der Lady befand.
Seraphin eilte ihnen mit tränenüberströmtem Gesicht entgegen. »Endlich seid ihr hier! Sie schwebt seit etwa einer Stunde zwischen Wachen und Schlafen.«
Die schöne englische Aristokratin lag unter einem Laken auf ihrem Bett. Eine Flut rötlichen Haares umgab ihr helles Gesicht,
auf dessen Wangen sich rote Flecken abzeichneten. Hippolyt zog das Laken zurück und stieß einen leisen Schrei aus: »Welche Perfidie! Man hat sie vergiftet!«
Gerwin beugte sich vor und sah den dunkelroten Streifen, der sich vom Brustansatz bis zum Hals zog. Die Haut war stellenweise bereits schwarz und warf Blasen. »Gift?«
Mit gerunzelter Stirn warf Hippolyt seine Taschen auf das Bett. »Die Form des Ausschlags sieht danach aus. Hat sie etwas berührt, sich neuen Schmuck umgelegt oder dergleichen?«
Seraphin dachte nach und sah dann auf seine linke Hand, auf der sich ähnliche Rötungen zeigten. »Das Tuch!« Er ging zu einem Sessel und wollte nach einem Seidenschal greifen, doch Hippolyts Schrei hielt ihn zurück.
»Nicht anfassen! Nimm es mit einem Messer auf und leg es in
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