Die Lautenspielerin - Roman
Schlachtfeldern Frankreichs behandelt hatte, das Skalpell ansetzte und den Mittelfinger sauber abtrennte. Das zerfetzte Fleisch hätte Wundbrand verursacht. Der Admiral wurde bleich, und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß, doch er gab keinen Laut von
sich. Nachdem die Hand verbunden war, tastete Paré die Elle ab und schnitt dann mit dem Skalpell in das Einschussloch. Mit einer feinen Zange zog er die Kugel heraus, die sich fest zwischen Elle und Speiche gebohrt hatte.
»Die Kugel könnte vergiftet sein, Monsieur. Ich gebe eine giftziehende Salbe darauf«, sagte Paré zum Admiral, der schwach nickte und sich in die Kissen sinken ließ.
»Gut, gut. Jetzt lasst mich ruhen«, sagte der Verwundete, und seine Leute zogen sich leise zurück.
In großer Aufregung kehrte Gerwin in den Louvre zurück. Während er durch die Gänge eilte, hatte er das Gefühl, dass sich die Stimmung verändert hatte. Die papistischen Höflinge schienen fast ausgelassen, und die vormals übermütig selbstsicheren Hugenotten zeigten sich nur in Gruppen. Ängstlich und mit gezückter Waffe drückten sie sich durch die Gänge. Die Nachricht vom Anschlag auf den Admiral musste sich bereits verbreitet haben. Gerwin traf Hippolyt mit Hauptmann Hinrik in Navarras Ankleidezimmer.
»Ihr wisst es bereits?«, fragte Gerwin atemlos.
Die beiden Männer nickten. »Setz dich. Heinrich ist bei Coligny«, sagte Hinrik, der seit ihrem letzten Treffen schmaler geworden war. »Wir sollten Paris verlassen, aber Navarra will nicht gehen. Außerdem wird ihn der König nicht ziehen lassen.«
»Karl ist ebenfalls ans Bett des Admirals geeilt. Er war außer sich, hat geschrien, er wolle die Schuldigen bis an die Pforten der Hölle jagen!« Hippolyt stieß ein bitteres Lachen aus. »Da hätte er sich nicht auf sein Pferd schwingen müssen …«
»Man hat eine Waffe von Guise gefunden«, meinte Gerwin.
»Das passt, nicht wahr?«, sagte Hinrik trocken.
»Was tun wir?« Ratlos stützte Gerwin das Kinn in die Hände.
»Abwarten. Wenn Navarra zurück ist, wissen wir mehr.« Hippolyt kramte in seiner Tasche und überprüfte die Vorräte. »Wir haben nur noch wenig adstringierendes Tonikum, und Quecksilbersalbe
benötige ich auch, ah, und Digitalis purpurea. Sei so gut, Gerwin, und hol mir etwas aus der Apotheke.«
Gerwin erhob sich. »Roten Fingerhut? Der ist giftig!«
»In zu hohen Dosen ja, aber die richtige Menge hilft gegen die Wassersucht. Der alte Ferrières leidet daran.«
Ferrières war ein Mitstreiter Colignys. Auch Gerwin war dessen aufgeblähter Leib schon aufgefallen. »Wo ist Jeanne? Hast du sie heute schon gesprochen?«
»Sie besucht Lady Dousabella und danach ihren Vater. Ich habe ihr Zitronenmelisse und Benediktenkraut zur Hebung der gesunkenen Körperkräfte mitgegeben.«
»Vielleicht sollte ich auch bei beiden vorbeischauen und sie mir ansehen«, sagte Gerwin im Hinausgehen.
»Mach das, aber sei vorsichtig!«
»Hier, Gerwin, häng es dir um den Hals!« Hinrik drückte Gerwin ein silbernes Medaillon in die Hand. »Der heilige Christophorus«, erläuterte er und grinste. »Ich habe noch eine Barbara und eine Madonna. Hier, nimm die Madonna gleich mit für deine Jeanne.«
Verdutzt fing Gerwin die zweite Medaille auf. »Was soll ich damit?«
»Umhängen! Na los! Es sind Schutzheilige, Nothelfer! Was glaubst du?«
Warum nicht, dachte Gerwin, band sich den Christophorus um und steckte das Medaillon mit der Madonna in seine Tasche. War es tatsächlich so weit gekommen, dass sie sich als Katholiken ausgeben mussten, um unbeschadet die Straßen von Paris betreten zu können? Er wollte die Tür aufstoßen, wurde jedoch unsanft zurückgedrängt, denn Navarra und seine Gefolgsleute kehrten zurück.
Der frisch vermählte König von Navarra sah blass aus und wirkte erschöpft. »Hippolyt, Huntpiss! Ihr wisst es bereits?«
Rochefoucauld und Condé, die ihn begleiteten, zogen finstere
Mienen, und der Prinz sagte: »Paré hat die Wunden versorgt, aber wenn die Kugeln vergiftet waren, stirbt der Admiral, und dann gnade Gott uns allen!«
»Der König wird nicht zulassen, dass die Situation eskaliert«, entgegnete Heinrich scharf. »Karl war außer sich. Er hat geweint und die ganze Zeit über Colignys Hand gehalten!«
Condé schnaufte. »Wann weint der nicht … Aber er war überrascht, da gebe ich Euch recht. Mit dem Attentat hat er nichts zu tun, das geht wohl auf das Konto von Guise und Anjou, wenn nicht gar Katharina dahintersteckt.«
»Nein! Sie
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