Die Lautenspielerin - Roman
aus Pappmaché gegen schwarz gewandete Ritter und Dämonen. Die Symbolik war eindeutig, und Jeanne beobachtete ängstlich die versteinerten Gesichter von Coligny, Condé und Navarra.
Auch bei dem Ritterturnier im Hof des Louvre, das am Ende der Feierlichkeiten stand, ließen Karl und seine Brüder keinen Zweifel daran, in welcher Rolle sie die Hugenotten sahen: Während die königlichen Brüder als Amazonen kostümiert das Feld betraten, mussten Heinrich, Condé und La Rochefoucauld in türkischen Gewändern den Kampf aufnehmen.
Jeanne stand auf einem Balkon inmitten kreischender Hoffräulein und Hofdamen. Katharinas Lieblingszwergin hockte auf der Brüstung und schrie: »Tötet die Türken! Tötet die Antichristen!« Niemand verwies sie in ihre Grenzen, im Gegenteil, johlend und klatschend wurde die Zwergin zu weiteren Schmährufen angefeuert. Heinrich und seine Begleiter schlugen sich tapfer, doch die Anspannung war in ihren Gesichtern zu lesen.
Eine hugenottische Edeldame stand neben Jeanne und starrte mit wütender Miene auf das Spektakel im Hof. »Welche Schande wollen sie uns noch antun? Diese verhurte Brut! Unser guter Heinrich muss ins Bett dieser Dirne steigen. Hätte sie doch gleich einen ihrer Brüder auf pharaonische Art heiraten sollen!«
»Aber Madame, das kann nicht Euer Ernst sein!«, sagte Jeanne und warf einer katholischen Baronin, die bereits verärgert die Brauen runzelte, ein freundliches Lächeln zu.
»Und wie ernst mir das ist! Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern. Margot hat es mit ihren drei verderbten Brüdern getrieben, bis sie den Guise in ihr Bett holte. Und jetzt verfolgen sie ihre Schwester mit brutaler Eifersucht. Schandbar!«, entrüstete sich die Hugenottin.
»Megäre! Gib acht, was du in nächster Zeit isst, und sieh dich um, vielleicht stößt man dir einen Dolch durch deinen verhurten Ketzerleib!«, fauchte die Baronin und schubste die Hugenottin im Vorbeigehen zur Seite.
Sie wäre zu Boden gestürzt, hätte Jeanne sie nicht aufgefangen. »Was habe ich gesagt?«
»Soll ich mich etwa vor diesem Abschaum fürchten? Es gibt nur einen wahren Glauben, und der wird von Calvins Jüngern gepredigt!«
Wortlos verließ Jeanne den Balkon. Als sie die Hugenottin wiedersah, lag sie auf einem Tisch im Zimmer der Ärzte. Sie war erstochen in einer Buchshecke der Tuilerien gefunden worden.
38
Die Blutnacht von Paris
Man schrieb den zweiundzwanzigsten August im Jahre des Herrn 1572. Gerwin kam von einem Krankenbesuch in Saint-Germain. Er hatte die Pont Neuf verlassen und sah zu seiner Linken bereits den Louvre, als die Schüsse fielen, die das Pulverfass zum Explodieren bringen sollten. In der Rue des Poulies brach Admiral Coligny verwundet zusammen. Gerwin sah eine Gruppe Hugenotten aufgeregt umherflattern. Instinktiv lief er schneller und schrie auf, als er den blutenden Admiral am Boden liegen sah.
»Hätte er sich nicht gebückt, um seine Mappe aufzuheben - die Kugel hätte ihn ins Herz getroffen!«, rief ein Baron und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Gerwin half bei der Erstversorgung. Eine Kugel hatte den Mittelfinger an der rechten Hand des Admirals zerfetzt, die zweite den linken Ellbogen getroffen. Coligny wurde von seinen Gefolgsleuten in sein Haus in der Rue de Béthisy gebracht, wo kurz darauf Ambroise Paré eintraf, der berühmte Chirurg und Leibarzt Katharinas.
»Von wo kam denn der Schuss?«, fragte Gerwin den Diener des Admirals.
»Es wurde aus dem ersten Stock eines vergitterten Fensters gefeuert. Das Haus unmittelbar neben dem Kloster Saint-Germainl’Auxerrois. Hauptmann Monins hat die noch heiße Arkebuse des Mordschützen gefunden. Das Wappen des Guise soll darauf gewesen sein.« Der Diener weinte und rang die Hände.
Der Hauptmann straffte die Schultern: »Paris hat Blut gerochen! Werter, verehrter Admiral, wir müssen Euch fortschaffen aus diesem Schlachthaus! Überall werden wir verhöhnt und beleidigt. Die Papisten stürzen sich auf jeden, den sie für einen Hugenotten halten. Dieses Mal seid Ihr dem Tod um Haaresbreite entkommen, doch sie werden nicht ruhen, bis sie Euch gemordet haben!«
Coligny, ein großer, sehniger Mann, der noch auf dem Krankenlager Ehrfurcht und Respekt einflößte, erhob seine Stimme: »Nun los, fangt an zu schneiden, Paré. Ich seh’ es Euch doch an. Euch dürstet nach meinem Fleisch.«
Gerwin bewunderte den tapferen Mann und beobachtete, mit welcher Präzision Paré, der Tausende Verwundete auf den
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