Die Lautenspielerin - Roman
aufmerksam zu. Hippolyt spritzte sich Wasser aus der Waschschüssel ins Gesicht und sagte ernst: »Was Ihr gehört habt, Jeanne, gibt Anlass zur Sorge, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Guise und der Rat Coligny etwas antun werden. Das würde eine Katastrophe auslösen, und das wissen sie! Paris platzt aus allen Nähten. Es gibt kein Quartier mehr, die Leute schlafen auf den Straßen, nur um diese Hochzeit zu sehen!«
»Und Katharina gibt sich solche Mühe, die Gemüter zu beruhigen. Sie spricht in den höchsten Tönen von Heinrich!«, sagte
Jeanne. »Margot läuft mit sauertöpfischer Miene umher und wird dauernd von ihrer Mutter zurechtgewiesen, dass Heinrich ein guter Mann sei und diese Ehe Frieden und Versöhnung bringe.«
»Und was ist mit Coligny? Ist es nicht wahr, dass der König ihm hörig ist? Katharina muss um ihren Einfluss fürchten.« Gerwin stand am Fenster und konnte den Blick nicht von Jeanne lösen, die verlegen mit einem Schleifenband spielte.
»Coligny ist nicht erst seit gestern der Vertraute und Berater des Königs. Warum sollte Katharina ausgerechnet jetzt etwas unternehmen und damit die mühevolle diplomatische Arbeit von Jahren aufs Spiel setzen?«, versuchte Hippolyt die anderen und auch sich selbst zu beruhigen. »Katharina ist ohne Glaubenseifer. Sie ist ein Freigeist, ein Machiavelli im Weiberrock, wie sie geschimpft wird. Doch das hat auch ein Gutes, denn sie will Frieden in Frankreich. Sie hasst nicht die Protestanten, sondern nur diejenigen, die Unruhe stiften!« Hippolyt seufzte. »Sie jetzt zu bedrängen wäre sinnlos. Aber nach der Hochzeit müssen wir mit ihr sprechen und über weitere Zugeständnisse verhandeln.«
»Nach der Hochzeit, Jeanne, sprechen wir vor allem über unsere Zukunft«, flüsterte Gerwin ihr ins Ohr, bevor er sie verließ.
Wie?, wollte sie fragen, doch dann nickte sie nur und sah den beiden Männern noch nach, als die Tür ins Schloss gefallen war. Gerwin hatte so zuversichtlich geklungen, dass sie ihm glauben wollte.
Endlich war der Tag der Hochzeit gekommen. Das Volk drängte in Hochstimmung durch die Straßen, die von Kot und Schmutz gesäubert waren, über die Brücken zur Île de la Cité und hin zur Kathedrale. Königliche Gardisten und Bogenschützen hatten große Mühe, die Menge im Zaum zu halten. Immer wieder stiegen Hasstiraden und Psalmen im Wechsel auf, gefolgt von aufbrandenden Schlägereien, Geschrei und Waffengeklirr. »Ihr Hundsfotte, ihr Ketzerhunde! Zur Messe werden wir euch prügeln!
«, schallte es von den Katholischen, und sofort kam es von protestantischer Seite: »Ihr armen Irrgläubigen! Maria war eine Frau wie alle anderen! Nur mit Dummheit Geschlagene glauben an Heilige und Wunder und bezahlen für einen Ablass!«
Heinrich von Navarra hatte die Nacht vor seiner Hochzeit mit seinen Getreuen Condé und La Rochefoucauld im Louvre verbracht. Bis in die frühen Morgenstunden war er ruhelos wie ein Tiger im Käfig in seinem Zimmer umhergelaufen. Dann zog er die schwarze Hugenottentracht an und sagte lapidar: »Bringen wir es hinter uns.« Wie musste der junge Prinz sich fühlen, wenn er jetzt neben der Frau knien sollte, die lieber seinen Erzfeind geheiratet hätte?
Jeanne saß zwischen ihrem Vater und ihrem Mann auf einer der vielen Tribünen vor der Kathedrale Notre Dame. Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über Paris, und Jeanne hielt Endres’ Hand umfasst, der guter Dinge und wachen Geistes war. Gerwin und Hippolyt saßen weiter vorn in der Nähe Navarras, der mit ernstem Gesicht an der Seite seiner schönen Braut auf einer Estrade kniete. Der päpstliche Dispens war nicht eingetroffen, doch man hatte Gegenteiliges verlauten lassen und Raffinesse beim Arrangieren der Feierlichkeiten gezeigt. Das Bischofspalais, in welchem die Braut die Nacht vor der Vermählung verbracht hatte, war durch einen Holzsteg mit dem Eingangsportal von Notre Dame verbunden worden. Davor hatte man die Estrade errichtet, auf der nun die Trauung vollzogen wurde.
Die Prinzessin hatte keine Hemmungen, ihrem Geliebten Henri de Guise Blicke zuzuwerfen, und es kam beinahe zu einem Skandal, als Margot auf die Frage des Kardinals von Bourbon, der die Zeremonie leitete, stumm blieb. Auch als der Kardinal seine Frage wiederholte, weigerte sich die Prinzessin, laut das Jawort zu geben. Aufgeregt begann die Menge zu tuscheln. Nachdem der Kardinal seine Frage ein drittes Mal gestellt hatte, sprang der König auf und stieß seiner Schwester wütend
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