Die Lautenspielerin - Roman
Musiker, und die Frau an der Laute ist neu, ausgesprochen hübsch. Das muss Scandellos Entdeckung sein. Ah, Antonio ist wieder einmal in Hochform. Schau dir die Pirouetten an. Bravo!« Begeistert klatschte Seraphin, und auch das Publikum schien von der Darbietung angetan.
»Maestro Scandello hat die Stücke selbst komponiert, und Antonio hat die Choreographie entworfen. Bei solch kleineren Darbietungen überlässt der Maestro das gern anderen. Wundervoll, auch Veronica. Sie ist zickig, aber tanzen kann sie ganz ohne Zweifel.«
Gerwin verstand nicht jede Einzelheit des Dargebotenen, doch genoss er die eleganten Bewegungen der Tänzer im Einklang mit
der Musik, die ihm ungewöhnlich leicht und heiter erschien. Nach einigen Minuten begann der fettleibige Mann vor ihm unruhig zu werden und stand auf. »Mein Gott, dieser Gestank!«, flüsterte Gerwin, als ihn die Wolke aus ranzigen Körperausdünstungen und ätzenden Gasen traf, die der Dicke hinterließ.
Seraphin kicherte. »Der Schein trügt. Schaut man erst hinter die glitzernde Fassade und durchdringt unser empfindliches Riechorgan die Wälle aus Parfum, sinkt die Ehrfurcht vor den herrschaftlichen Gestalten recht bald.« Plötzlich hob er den Finger an die Lippen. »Die Lautenspielerin. Sie spielt allein. Göttlich. Schließ die Augen und hör zu!«
Töne von brillanter Reinheit und ätherischer Schönheit ließen die Anwesenden, die bislang ihre Gespräche nicht unterbrochen hatten, verstummen und gebannt lauschen. Die Melodie schwang sich auf, perlte munter in den Höhen, sank langsam in melancholischere Gefilde herab, um in einem erneuten Aufbäumen die Zuhörer mitzureißen in kapriziösen Läufen, unterlegt mit fordernden Akkorden.
Verträumt öffnete Gerwin die Augen, um sich die Schöpferin dieser berauschenden Musik zu betrachten, die alle verzauberte. Mit offenem Mund starrte er nach vorn. Sein Verstand weigerte sich zu begreifen, dass dort auf der Bühne die junge Französin saß, der er in Helwigsdorff begegnet war. »Jeanne«, murmelte Gerwin, woraufhin Seraphin ihn argwöhnisch von der Seite musterte.
Sie trug ein nachtblaues Kleid aus glänzender Seide und spielte auf einer Laute, deren ungewöhnlich schöne Maserung sein Interesse geweckt hätte, wäre da nicht Jeannes Gesicht gewesen. Sie hielt den Blick gesenkt, nur gelegentlich öffneten sich ihre vollen roten Lippen, um Luft zu holen oder stumm eine Phrase zu formen, während sich Strähnen kastanienfarbenen Haares um den Nacken und den schlanken Hals legten.
Die Musikerin schlug den letzten Ton des Chansons an und bewegte die Hand langsam nach oben, wie um dem Klang zu folgen.
Dabei hob sie den Kopf, und ihr Blick schien aus unauslotbaren Tiefen zurückzukehren in die Wirklichkeit. Fast erstaunt schaute sie auf die Bühne, die Tänzer, die sich verneigten, und das Publikum, das nun aus seinem Bann erwachte und ihr begeistert Beifall spendete.
Die Hofgesellschaft zerstreute sich jedoch rasch, und das gewohnte Geschwätz wurde wieder aufgenommen. Gerwin stand auf und wäre über den Stuhl vor ihm gestolpert, hätte Seraphin ihn nicht am Arm gepackt. »Nicht so stürmisch, mäßige dein Temperament, von dem ich nicht ahnte, dass es überhaupt in dir schlummert.«
Gerwin atmete einmal kräftig durch, um sich zu sammeln, konnte den Blick aber nicht von Jeanne wenden, die sich mit Antonio und den Musikern unterhielt. Ein kleiner Mann südländischen Aussehens betrat die Bühne und erwies der jungen Musikerin seinen Respekt.
»Da ist ja auch Meister Scandello! Kommt, Welf, soll ich Euch vorstellen?«
Ängstlich wandte Gerwin sich ab. »Nein! Sie darf mich nicht erkennen!«
»Ah, vielleicht erklärst du es mir?«
»Nichts weiter. Ich habe sie im Dorf gesehen, nur einmal mit ihr gesprochen, aber …« Sehnsüchtig warf Gerwin einen Blick auf die Bühne, wo Jeanne mit der Laute im Arm stand.
»Nun, als armer Lehrling eines Quacksalbers hattest du keine Chance bei ihr, als Junker vielleicht schon. Du hast deine Feuerprobe beim Ritter bestanden. Ich wette mit dir um einen Gulden, dass sie dich nicht erkennt. Niemand vermutet, geschweige denn erwartet dich hier. Gib dich schweigsam und geheimnisvoll.«
Doch trotz seiner Kleidung und der Lehrstunden auf Berbisdorf fühlte sich Gerwin in Jeannes Gegenwart wie ein grüner Junge und bekam einen trockenen Mund und zittrige Hände.
»Maestro Scandello! Euer Gespür für das Besondere ist unübertroffen.« Damit lobte Seraphin die Auswahl der Musiker
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