Die Lautenspielerin - Roman
und
auch das Ballett, ohne jemanden zurückzusetzen. Antonio tupfte sich imaginäre Schweißperlen von der Stirn, und seine Tanzpartnerin zupfte an ihrem rotweißen Kostüm.
Der italienische Maestro hatte einen sorgfältig gestutzten Schnurr- und Spitzbart und trug den steifen spanischen Kragen über einem bestickten Wams zu dunklen Kniehosen und roten Seidenbändern unterhalb der Knie. Er hatte einen federnden Gang und schien sich in ständigem Takt mit Melodien, die er gerade komponierte, zu bewegen. Erfreut küsste er Seraphin auf die Wangen. »Ihr habt unsere Jeanne gehört, mein Guter? Sie sieht nicht nur aus wie ein Engel, sie spielt auch so und wird den Hof im Sturm erobern.«
»Ich befürchte fast, das ist schon geschehen«, meinte Seraphin mit einem Augenzwinkern in Gerwins Richtung. »Darf ich meinen Freund, den Junker Welf von Rechberg, vorstellen?«
Gerwin war froh, dass ihn nach der Einführung niemand weiter beachtete. Nur Jeanne betrachtete ihn prüfend mit ernsten dunklen Augen, bis er errötete und mit einer Hand an seinem Degenknauf nestelte.
Dem Gespräch der Musiker und Tänzer entnahm Gerwin, dass für den späteren Abend eine weitere Darbietung geplant war, eine Maskerade mit mythologischen Themen. Scandello hatte darin auch Jeanne für einen Part vorgesehen. »Sobald der Kurfürst Euch gesehen und gehört hat, könnt Ihr Euch einer festen Stellung sicher sein«, prophezeite der Maestro.
»Und mein Vater?«, fragte Jeanne.
»Nun, das wird sich weisen. Auf die Meister der hiesigen Zünfte habe ich keinen Einfluss. Spielt die Stücke noch einmal durch, wir sehen uns dann kurz vor der Aufführung. Seraphin, kommt doch bitte mit mir. Es gibt noch einige Fragen wegen der Kostüme zu klären.« Scandellos Ton duldete keinen Widerspruch, und Gerwin ahnte, dass man sich glücklich schätzen durfte, wenn man die Gunst des exzentrischen Maestros errungen hatte.
Die beiden anderen Musiker packten ihre Utensilien zusammen, die livrierten Diener räumten bereits die Hocker ab, und Antonio und Veronica verließen die Bühne mit schwebendem Gang. Gerwin räusperte sich verlegen. »Kann ich Euch behilflich sein?«
Jeanne lächelte, und ihre Augen funkelten. »Junker Welf, das war doch Euer Name?«
Gerwin nickte.
»Ihr dürft meine Laute tragen. Doch gebt acht, sie ist kostbar und für mich unersetzlich.« Sie tippte dem Violinisten auf die Schulter. »Gibst du mir die Partitur für den Abend?«
»Deine Soli sind markiert. Am besten schreibst du es dir in Tabulatur um. Das macht der Maestro nie. Kannst du das?« Der dürre Mann reichte ihr die Noten mit gehobenen Brauen.
»Ich könnte deine Stimme gleich eine Terz tiefer setzen, vielleicht spielst du dann sauberer, denn ich hatte den Eindruck, du hattest Probleme damit, in die vierte Lage zu rutschen«, sagte Jeanne zuckersüß.
Der Theorbenspieler lachte. Er hatte ein gutmütiges Gesicht und schien weniger dünkelhaft als sein böhmischer Kollege. »Komm schon, Janosch, sie weiß, was sie tut, und gute Musiker sind so selten wie unser Salär.«
Murmelnd klemmte sich der Böhme Violine und Bogen unter den Arm und verließ die Bühne. Jeanne tat es ihm nach und winkte Gerwin, ihr zu folgen. In einem schmalen Nebenraum, der durch eine Sammlung von blauweißem Porzellan bestach, drehte sie sich plötzlich zu Gerwin um. »Ist es wahr, dass Ihr und der Arzt am Tod des Sohnes von Ritter Alnbeck Schuld habt?«
Vollkommen überrascht stammelte Gerwin: »Nein! Ich, wir, es war unmöglich, ihn zu retten … Wir sind zu spät gerufen worden.«
Jeanne seufzte hörbar. »Ich will Euch glauben, anderenfalls würde ich kein Wort mit Euch wechseln. Warum seid Ihr hier? Ihr begebt Euch unnötig in Gefahr, indem Ihr hier am Hof erscheint.«
»Er hat mich nicht erkannt. Meine Verkleidung ist gut, nur
Euch konnte ich nicht täuschen. Was ist mein Fehler?« Langsam gewann Gerwin seine Selbstsicherheit zurück.
Sie streckte die Hände nach ihrer Laute aus, die er noch immer hielt. Ihre Fingerspitzen streiften ihn, als sie das Instrument an sich nahm. »Eure Augen, Gerwin.«
Es war die Art, wie sie seinen Namen aussprach, weich und mit der Betonung auf der zweiten Silbe, die ihn erschauern ließ. Oder lag es an ihrem spöttischen und zugleich sanften Blick? Konnte man überhaupt sagen, warum man sich verliebte? Mehr als das, in jenem Moment begriff er, dass er diese Frau liebte, von der er nicht mehr wusste, als dass sie von bezaubernder Schönheit war und mit
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