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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ihrer Musik jeden betörte. Nein, das war nicht richtig, er kannte sie besser als die anderen, die nur ihr Äußeres sahen. Jeanne war eine empfindsame Person, der jegliche Arroganz fremd war, und er war ihr nicht gleichgültig. Was auch immer geschehen würde, sie war die Frau, die sein Herz besaß.
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, beharrte Jeanne und legte die Notenblätter auf einen runden Tisch.
    »Ich kann es Euch nicht sagen.«
    »Ein Geheimnis, aha. Bitte, das ist Eure Sache. Ich habe zu arbeiten. Die Existenz meines Vaters und meine Zukunft hängen von diesem Abend ab.« Sie sah sich um, fand auf einem anderen Tisch Papier, Tinte und eine Feder und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Als hätte sie Gerwins Anwesenheit bereits vergessen, vertiefte sie sich in die Musik und summte die Töne vor sich hin, die sie dann auf ihrer Laute suchte und anschließend notierte.
    Verärgert und beschämt über seine Hilflosigkeit, zog Gerwin sich zurück und überließ die schöne Musikerin sich selbst. Noch am Morgen hatte er sich gefragt, was ihn am Dresdner Hof erwartete, und unwillkürlich dachte er an Hippolyts Abschiedsworte: »Insperata accidunt magis saepe quam quae speres. 12 «

11
    Der Nachtwächter hatte die elfte Stunde verkündet, und die ehrbaren Leute lagen bereits schlafend in ihren Betten. Nur aus den Wirtshäusern und Badestuben schien noch Licht auf die Gassen von Dresden. Eine Gruppe betrunkener Soldaten torkelte aus einer Gaststube, und Jeanne und Endres drängten sich furchtsam in einen Hauseingang. Unter Endres’ Umhang zeichnete sich der Sack mit Jeannes Laute ab, Grund genug für Gesindel, sie zu überfallen.
    »Wir müssen uns ein Quartier in einem besseren Viertel suchen, Jeanne. Komm, jetzt sind sie fort.« Endres verließ den Schutz des dunklen Hauseingangs und überquerte mit seiner Tochter die Straße, die hinter dem Packhof und dem Marstall über die Ostra-Allee führte. Auf den nur teilweise gepflasterten Wegen wateten sie durch Kot, Unrat und vom Regen aufgeweichte Erde. Als Jeanne in der Dunkelheit gegen einen umgestürzten Eimer trat, quiekten mehrere Ratten und huschten davon. Eine Katze miaute, und aus den Fenstern hörten sie Schnarchen und Geräusche, die von anderen nächtlichen Aktivitäten zeugten.
    Endlich leuchtete vor ihnen die Laterne des Gasthauses auf, in dem sie seit ihrer Ankunft vor einigen Tagen logierten. Es trug den vielversprechenden Namen »Zum Goldenen Hirsch«, doch Wildbret hatten sie auf der Speisekarte des launischen Wirts bislang nicht entdecken können. Als sie die Gaststube betraten, schlug ihnen der allzu vertraute Geruch von gekochtem Kohl, vermengt mit den Ausdünstungen von Menschen, die seit Wochen kein Bad genommen hatten, Mäusekot und schmutziger Spreu entgegen. Jeanne würgte gegen den Brechreiz an, der sie jedes Mal beim Betreten des Gasthauses überkam.
    Der Wirt, ein Mann mittleren Alters mit einem speckigen Lederschurz vor dem runden Bauch, warf ihnen einen mürrischen
Blick zu und hantierte weiter mit zwei Krügen. »Er panscht schon wieder den Wein«, murmelte Jeanne.
    »Still. Guten Abend, Herr Wirt!«, sagte Endres freundlich.
    Ein Brummen war die Antwort. Der Wirt wischte sich mit einer Hand die ständig tropfende Nase, stellte die Krüge ab und zog einen zerknitterten Umschlag aus seinem Gürtel. »Der wurde für Euch abgegeben.« Er machte keine Anstalten, Endres den versiegelten Umschlag zu reichen.
    Seufzend holte Endres einen Groschen aus seinem Beutel, warf ihn auf den Tisch und nahm den Brief in Empfang. »Danke.«
    »Wozu bedankst du dich bei dem Halsabschneider? Es ist seine Pflicht, dir die Nachricht zu geben!«, schimpfte Jeanne auf Französisch.
    »Ich verstehe nicht, was das kleine Fräulein sagt, aber Ihr solltet ein Auge auf sie haben. Wir machen hier kein Aufhebens um Unruhestifter, und mein Schwager ist Hauptmann bei der kurfürstlichen Garde.« Ein dunkler Schleimfaden lief dem Wirt aus dem Mundwinkel, und er spuckte einen Teil des Tabaks, den er ständig kaute, auf den Boden.
    »Gute Nacht«, sagte Endres knapp und zog Jeanne mit sich zum Treppenaufgang.
    Die enge Stiege führte in den ersten Stock, in dem sich die Gästezimmer befanden, die kaum mehr als Bretterverschläge waren. Jeanne und ihr Vater teilten sich den engen Raum, in dem ein breites Bett und eine verschließbare Truhe standen. Ein Schemel und ein winziger Tisch vor dem Fenster vervollständigten die karge Möblierung. Von ihrem Fenster blickten

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