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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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Erinnerung ihm das erlaubte, die Entfernung zum Ufer, zum Anlegesteg mit den Booten, die auffällige Kerbe, die zwei Hügel der Kraterwand, von diesem Platz aus betrachtet, gebildet hatten.
    Andrew Neal notierte sich alles eifrig, stieß aber mehr als einmal an seine Grenzen. So gut war sein Deutsch nicht, dass er jedes Wort verstand, und Trattmann sprach in einem rheinischen Dialekt, der selbst für Mulden, Kerben und Wasserqualitäten eigene Begriffe kannte.
    »Wissen Sie was? Ich zeige es Ihnen am besten selbst!«, meinte Trattmann am Ende des Telefonats, und so hatte er jetzt bereits auf dem Parkplatz gewartet, trotz der Wärmeund des zu erwartenden heißen Mittags in einen Wollmantel gehüllt, den Hut auf den Kopf und voller Erwartung. »Wann geht es los?«
    So schaukelten sie gemächlich über den See, und Trattmann hielt das Ufer immer genau im Auge, bis er plötzlich die Hand hob und laut verkündete: »Hier ist die Stelle!«
    Hutter und Neal schnellten beide auf ihrer jeweiligen Bordseite vor, um in die Seetiefe zu schauen. Erschrocken klammerte sich Trattmann mit beiden Händen an seine Holzbank, um nicht aus dem schaukelnden Boot zu stürzen. »Nur mal langsam«, schrie er ängstlich auf.
    »Sind Sie sicher wegen der Stelle?«, wollte Neal wissen.
    Trattmann besah sich noch einmal alles ganz genau, dann nickte er. »Ja, ich bin mir sicher.«
    Joe Hutter vermaß die präzisen Koordinaten mit dem GPS. Es war keine Stelle, die das Echolot als potenziell interessant ausgewiesen hatte.
    »Man sieht nichts«, erklärte Joe. »Das Wasser ist hier so tief, dass man kaum bis auf den Grund schauen kann. Ich schätze« – er warf einen kurzen Blick auf die Karte – »mindestens zwölf Meter. Selbst bei dem klarsten Wasser wäre das schwierig, aber wegen der Hitze sind oben schon so viele Algen, die die Sicht trüben, dass es völlig aussichtslos ist, irgendetwas zu erkennen.«
    »Ich bin mir aber sicher«, antwortete Trattmann zögerlich. »Meine Eltern haben die Maschine damals gesehen, als sie brennend in den See stürzte. Aber es ist auch schon lange her. Ich glaube, dass der See an der Stelle nicht so tief gewesen ist, vielleicht höchstens halb so tief.« Er betrachtete nachdenklich den Horizont. »Doch, hier muss es gewesen sein. Wissen Sie genau, dass sich der Seeboden nicht in der Zwischenzeit gesenkt hat?«
    Joe zuckte mit den Schultern »Ich bin kein Geologe.«
    Trattmann wirkte ratlos. »Es müsste hier flacher sein.« Erzeigte mit seiner ausgestreckten Hand auf die Kerbe, die zwei sich schneidende Hügelseiten bildeten. »Hier war es. Es war gegen Ende Winter, und das Wasser war klarer. Vielleicht hat der Grund deshalb näher gewirkt …«
    Andrew Neal holte die Unterwasserkamera aus ihrer Schutzhülle und rastete ihre Ösen in ein Tragseil ein. »Wir lassen die Kamera jetzt herunter und schauen nach.«
    Er klappte den Laptop auf und knipste ihn an. Der Monitor fuhr langsam hoch, und schließlich sah man darauf den blauen Himmel und vereinzelte Wolkenbällchen, dann die Bootswand, Trattmann, schräg ins Bild ragend, dann eine braune Brühe.
    Schließlich befand sich die Kamera im See. Der Monitor zeigte erst eine blaue, dann eine grüne Färbung, dazwischen Luftbläschen, die sich von der Kamera lösten, und Schwebeteilchen, die vorbeitrieben und kurz im Sonnenlicht aufflackerten.
    Als acht Meter der Leine abgewickelt waren, ging Neal langsamer und vorsichtiger vor. Mittlerweile lieferte die Kamera nur noch Bilder, die eine amorphe graue Masse zeigten. Einmal schwamm kurz ein Fisch vorbei.
    Es wurde dunkel.
    »Es werde Licht«, verkündete Neal und schaltete die Lampe an. Vor der Linse schraubte sich ein Lichtstrahl ins Dunkel, aber der See war hier so voller Plankton, dass sie die Sicht bereits nach ein paar Dutzenden Zentimetern verloren.
    Neun Meter, zehn Meter, elf Meter. Der Boden kam plötzlich in Sicht, eine platte, graue Fläche ohne Erhebungen.
    Trattmann blickte enttäuscht auf den Monitor. »Da ist nichts!«
    Neal zog die Kamera vorsichtig wieder herauf, tauschte den Platz mit Hutter und senkte das Gerät ebenso achtsam auf der anderen Bootsseite wieder hinab. Trattmann erbleichte. Das andauernde und nun heftigere Schaukeln und Wankendes Motorboots machten ihm zu schaffen. »Vielleicht«, meinte er zaghaft, »lag die Stelle doch näher am Ufer.«
    »Wir lassen nun den Motor wieder an«, erklärte Hutter, »fahren zurück in Richtung Ufer und behalten immer die Kerbe im Blick. Sie schauen auf

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