Die Lava
wenn die Testtauchgänge erfolgreich abgeschlossen wurden. Die Kamera verändert das Gewicht des Geräts, mag sein, dass es dann nicht mehr so einfach zu navigieren ist.«
Diese Informationen genügten dem Chef zu diesem Zeitpunkt. Er richtete sich auf und wandte sich wieder dem nordenglischen Ingenieur zu, der das Bergungsgerüst konstruieren und auf den bereits georderten Kran zuschneiden sollte.
»Nun, mein Herr, und wie weit sind Sie mit der Simulation der Tragfähigkeit? Die Zeit drängt.«
Sein Handy klingelte. Sofort nahm er ab. Am anderenEnde sprach Joe Hutter, der ihm aufgeregt schilderte, wie sich der Brubbel in einen gefährlich kochenden Geysir verwandelt hatte.
Vielleicht nimmt mir der Brubbel ja auch den schwersten Teil meiner Arbeit ab, dachte MacGinnis bei sich. Er blieb eine ganze Weile in Gedanken versunken. Dann sah er auf und rief, unerwartet fröhlich: »An die Arbeit, meine Herrn. Wir müssen ein Flugzeug aus dem Wasser holen!«
MacGinnis wollte sich gerade einen heißen Tee eingießen, da flackerten unvermittelt die Computerbildschirme, ein Monitor versagte sogar ganz den Dienst. Die Fensterscheiben klirrten. Einige Bücher polterten aus dem Regal. MacGinnis schüttete eine halbe Tasse über seine Hose.
»Ich werde einmal die Erdbebenwarte anrufen«, knurrte er ungehalten, »die sollen mir die neuesten Aufzeichnungen mailen.«
»Dauert es noch lange, Mami?«
Die Mutter sah auf die Uhr. »Nein, nicht mehr lange!«
Es waren höchstens noch fünfzehn Minuten bis zu dem gewaltigen Schauspiel.
Die Mutter und ihr Söhnchen standen unter Pappeln gegenüber von Leutesdorf auf dem Namedyer Werth, einer schmalen, bogenförmigen Insel im Rhein. Neben ihr und ihrem Sohn saß der Rest ihrer Reisegruppe. Die erfahrenen Besucher trugen Regencapes und klemmten sich Schirme unter ihre Arme. Rund dreihundert waren es. Hinter den Pappeln sah man die Berge.
Bald schon musste der gewaltige Geysir – der größte Kaltwassergeysir der Welt – erneut ausbrechen. Die Touristen reckten ihre Hälse nach oben – sechzig Meter, so hoch wie ein 20-stöckiges Haus – sollte er seine mächtige Wassersäule in die Luft schleudern.
»Bis dorthin spritzt der«, sagte die Mutter zu dem kleinen Jungen. Staunend blickte er zum blauen Himmel empor.
Ein Mann trat aufs Podium und schaltete ein Mikrofon ein. »Lassen Sie mich kurz ein paar Worte zur Geschichte des Andernacher Kaltwassergeysirs sagen – es ist der größte der Welt, er steht sogar im Guinessbuch der Rekorde!«
Raunen und Staunen bei den Zuhörern.
»1903 bemerkte man, wie im Altrheinarm Gasblasen aufstiegen, und bohrte hier auf der Insel Namedyer Werth nach Mineralwasser. Als man in 343 Metern Tiefe war, schoss unerwartet eine über fünfzig Meter hohe Wassersäule aus dem Boden. So etwas passiert hier häufiger, als man denkt. Im November 2009 wurde bei Wiesbaden eine Erdwärme-Probebohrung durchgeführt, dabei quoll Wasser aus 130 Metern Tiefe als Geysir nach oben – fast sechstausend Liter Wasser pro Minute. Es dauerte zwei Tage, bis das Bohrloch gestopft werden konnte! Unser Geysir hier, der Namedyer Sprudel, wurde schnell bekannt. Alle Zeitungen schrieben darüber, es entwickelte sich rasch ein reger Fremdenverkehr. Dann aber kam der Krieg, und unser Naturwunder geriet in Vergessenheit. 1957 wurde es dann ganz verschlossen.«
Der Touristenführer ließ seinen Blick über die Zuschauermenge schweifen, heischte offenbar nach Mitleid. Die Frau sah auf die Uhr – noch acht Minuten, dann würde der Mann ein Ventil öffnen.
»Um den unterirdischen Druck auszugleichen, wurde der Sprudel im Jahre 2001 wieder geöffnet.« Nun erklärte der Mann kurz, wie der Geysir funktionierte: Aus vulkanischen Quellen stieg Kohlendioxid auf, wurde von einer festen Schieferschicht festgehalten und gesammelt; wenn sich zu viel Gas angesammelt hatte, drückte es darauf das Grundwasser zu einer Riesenfontäne an die Erdoberfläche – hauptsächlich Schaum, denn die fünfzig Meter hohe Säule enthielt kaum mehr Wasser als ein durchschnittlicher Gartenschlauch.Der Geysir stieg zwar hoch, blieb aber dünn. Heimlich hatte man den Geysir in den 1990ern abgelassen, durch ein 350 Meter langes Rohr geführt und durch ein Ventil gebändigt – es handelte sich also um ein künstliches Schauspiel. »Ließe man ihn natürlich sprudeln, bräche er etwa alle anderthalb Stunden aus. Ende des letzten Jahrhunderts hatte man geplant, Andernachs einzigartige Sensation für den
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