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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Herren. Mit fiebrig glänzenden Augen und konzentriertem Gesichtsausdruck durchstöberten sie die Regale. Hier ein prüfender Blick, da ein fachmännisches Kopfnicken. So, so, hm, hm, ah ja.
    Ich steuerte eins dieser manövrieruntauglichen Wägelchen – warum haben die Dinger bloß keine Servolenkung? – durch das Labyrinth der Gänge und kam aus dem Staunen kaum raus.
    Kurze Nägel, lange Nägel, dicke Nägel, dünne Nägel, mit großem Kopf, mit kleinem Kopf, aus Eisen, aus Kupfer ... Eine ganze Regalwand voll.
    Heiliger Strohsack, und welchen davon sollte man nehmen, um ein Bild aufzuhängen?
    Nachdem ich komplett die Orientierung verloren hatte, weil ich eine Palette, die den Gang versperrte, großräumig umfahren musste, kam ich doch noch irgendwie in der richtigen Abteilung an. Farbtöpfe, Pinsel, Tuben und Tapeten, so weit das Auge reichte. Aber kein einziger Verkäufer.
    Typisch, das war doch immer wieder das Gleiche. Hatte man es mit List und Tücke geschafft, sich einen der kompetenten Verkaufsberater zu krallen, hieß es garantiert: »Dafür bin ich nicht zuständig.« Die etwas freundlicheren Exemplare verwiesen einen an einen noch kompetenteren Kollegen, der aber – sofern er überhaupt existierte – gerade in der Mittagspause oder im Urlaub war.
    Ich beschloss, das Problem diesmal anders anzugehen, und setzte mein vielfach erprobtes Autopannen-Gesicht auf. Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendein männliches Wesen darauf anspringen würde, um mir, dem hilflosen Frauchen, aus der Patsche zu helfen und gockelhaft sein Können zu demonstrieren.
    Heute ging es jedoch erstaunlich fix. Ich musste wirklich sehr verzweifelt ausgesehen haben. »Junge Frau, was suchen Sie denn?«
    Die Stimme kam mir bekannt vor.
    Ich wirbelte herum. Vor mir stand Josch. Natürlich – er grinste schon wieder. Seine Mundwinkel klebten förmlich an seinen Ohrläppchen fest. »Also hier hätte ich am wenigsten damit gerechnet, dich zu treffen.«
    Ich lachte. »Danke gleichfalls.«
    »Renovierst du gerade?«, fragte er, während er einen blauen Farbtopf in seinen Wagen stellte.
    »So würde ich das nicht unbedingt nennen. Ich möchte lediglich das Schlafzimmer ein bisschen aufpeppen. Leider weiß ich nicht, welche Farbe ich dafür nehmen muss.«
    »Also hier bist du jedenfalls total falsch. Das sind Holzlacke.« Josch dirigierte mich zwei Gänge weiter, »An welchen Farbton hast du denn gedacht?«
    Unschlüssig nagte ich auf meiner Unterlippe herum. »Giftgrün? Oder vielleicht Pink? Was würdest du nehmen?«
    Josch machte ein so entgeistertes Gesicht, als hätte ich ihn gefragt, warum Männer im Stehen pinkeln. »Weder noch«, antwortete er schließlich. »Sorry, wenn ich das so direkt sage, aber eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass du Geschmack hast. Mit Ausnahme des Häuslebauers natürlich! Aber den Fehler hast du ja gerade noch rechtzeitig korrigiert. In einem giftgrünen oder pinkfarbenen Schlafzimmer würde ich jedenfalls kein Auge mehr zu-«, er zwinkerte vergnügt, »geschweige denn ein anderes Körperteil hoch bekommen.«
    »Fein. Das ist goldrichtig.« Ich strahlte. »Grob gesagt, ist das auch Sinn und Zweck dieser Übung.«
    »Wie bitte???« Sein Unterkiefer beugte sich den Gesetzen der Schwerkraft und klappte nach unten.
    Mona hatte bei Diabolo lediglich verlauten lassen, dass Thomas und ich uns getrennt hatten. Von unserer außergewöhnlichen Wohnsituation und den damit verbundenen Kampfhandlungen konnte Josch also nichts wissen.
    Bevor er ein paar weiß gekleidete Herren mit dem neuesten Modell ihrer Wickeljacken-Kollektion bei mir vorbeischicken würde, war es wohl besser, ihn in mein heimisches Desaster einzuweihen. Als ich das tat, kippte der liebe Kollege vor Lachen fast aus seinen Turnschuhen. Zugegeben, für einen unbeteiligten Dritten musste unsere Lavendelschlacht durchaus humoristische Züge tragen, aber die Lage war ernst. Todernst sogar. Ich dachte an meinen Traum. Wie schon unzählige Male zuvor sah ich Thomas im Geiste unter meinem Fiesta liegen.
    Dass Mona mich ausgerechnet vor den grauen Wänden einer Gefängniszelle gewarnt hatte, musste ein Wink des Himmels gewesen sein. Thomas war ein Ästhet. Durch und durch. In seinem Beruf mochte diese Eigenschaft möglicherweise von Vorteil sein, doch zu Hause hatte er mich damit schon oft zur Weißglut getrieben. Ich erinnerte mich nur zu gut an einen heftigen Disput, den wir über die Farbe der Lichtschalter geführt hatten. Thomas bestand

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