Die Lavendelschlacht
meine Stimmung tendierte Richtung Gefrierpunkt.
Während gewöhnlich in der Adventszeit die ganze Wohnung nach frisch gebackenen Plätzchen, Nelken und Tannennadeln duftete, stank es bei uns penetrant nach Farbe und Lavendel. Thomas, der zwar keineswegs zu den Warmduschern, dafür aber zu den Warmschläfern zählte, hatte gar keine andere Wahl, als seine Nächte bei offenem Fenster zu verbringen. Ha, hoffentlich froren ihm dabei sämtliche Weichteile ab! Allerdings wurmte es mich ungemein, dass er die Dickfelligkeit und das Gemüt eines afrikanischen Flusspferdes an den Tag legte. Falls die pinkfarbenen Wände irgendwelche Auswirkungen auf seine Psyche hatten, so verstand er das geschickt vor mir zu verbergen.
Mensch Meier, langsam verlor ich echt die Geduld. Dabei könnte alles so einfach sein! Warum zog er nicht endlich zu seiner Valerie und ließ mich in Ruhe?
Am liebsten hätte ich mir die Bettdecke über den Kopf gezogen und mich für den Rest des Jahres tot gestellt. Aber auf diesen faulen Trick fiel Linus nicht rein. Widerstrebend quälte ich mich aus dem Bett und drehte mit ihm seine Gassirunde.
Wenn wenigstens Schnee liegen würde, dachte ich bitter. In den letzten Tagen waren zwar vereinzelt ein paar Flocken vom Himmel gerieselt, aber sie hatten keine faire Chance bekommen. Die Stadt war sofort mit einem ganzen Geschwader von Streufahrzeugen ausgerückt, so als lägen nicht ein paar harmlose Schneeflocken, sondern gefährliche nukleare Sprengsätze auf der Straße herum.
Wieder vor unserem Haus angelangt, hob Linus ein letztes Mal sein Beinchen und zielte mit einem scharfen Strahl genau auf die chromblitzende Felge von Thomas’ BMW. Schuldbewusst schaute er mich an. Doch das erwartete Donnerwetter blieb aus. »Schon in Ordnung, mein Süßer.« Ich tätschelte ihm den Kopf. Braver Hund, cleverer Hund. Er hatte soeben Thomas’ Allerheiligstes geschändet. »Wäre es anatomisch möglich, würde ich es dir sogar nachmachen.« Linus guckte ganz verdutzt. Wahrscheinlich hatte ich gerade ein ganzes Jahr konsequenter Erziehung zunichte gemacht. Aber das war es mir wert! Als ich die Wohnungstür aufschloss, sah ich schon von weitem, dass der Anrufbeantworter blinkte. Sechs Anrufe. Wahrscheinlich lauter nette Menschen, die Thomas oder mir frohe Weihnachten wünschen wollten, dachte ich gerührt.
Anruf eins fiel schon mal eindeutig nicht unter diese Kategorie. »Hallo, Tommi«, beim Klang dieser Stimme rollten sich mir die Fußnägel auf, »hier ist deine Mutter.« Den Zusatz hätte Amelie sich sparen können. Niemand anders verschandelte Thomas’ Namen so wie sie. Ein paar Freunde sagten Tom. Aber mal ehrlich, wie kann man einen erwachsenen Mann mit einem Kreuz wie ein Schrank bloß Tommi nennen? »Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich gegen sechzehn Uhr in Düsseldorf eintreffe. Hol mich bitte vom Bahnhof ab. Und, Junge – sei pünktlich!«
Vor lauter Schadenfreude platzte ich schier aus meinem Jogginganzug. Übermütig führte ich neben dem Anrufbeantworter ein Tänzchen auf. Ein Besuch von Amelie war vergleichbar mit dem Hereinbrechen einer Naturkatastrophe. Eigentlich nicht nur vergleichbar, Amelie war eine Naturkatastrophe. Rette sich, wer kann! Ich gönnte Thomas einen lauschigen Abend mit ihr von Herzen.
In den vergangenen Jahren hatten Thomas und ich den Heiligabend immer gemeinsam bei meinen Eltern verbracht. Mit Weihnachtsgans, Christstollen, Plätzchen, Völlegefühl, Sodbrennen und allem, was dazugehörte. Am ersten Feiertag waren wir dann zu Amelie gefahren. Notgedrungen. Vermutlich hatte Thomas seiner Mutter die frohe Kunde von unserer Trennung bereits überbracht, und sie konnte es kaum erwarten, ihren Tommi an Weihnachten endlich mal ganz für sich allein zu haben.
Nur zu! Am besten, Thomas krempelte schon mal die Ärmel hoch. Unsere Wohnung sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es würde eine Weile dauern, diesen Kriegsschauplatz in seinen Urzustand zurückzuversetzen.
Anrufer zwei bis fünf hüllten sich in vornehmes Schweigen.
»Schon wieder nur dieser grässliche Blechsekretär. Kind, du weißt doch, wie ungerne ich da draufspreche.« Und ob Kind das wusste! Mama hasste unseren Anrufbeantworter genauso sehr, wie ich es hasste, dass sie immer erst nach dem x-ten Anruf eine Nachricht hinterließ. Anruf zwei bis fünf gingen also auf ihr Konto, vermutete ich. »Du musst uns doch noch sagen, um wie viel Uhr wir kommen sollen.«
Halt! Stopp, Mama! Nochmal von vorne. Meine
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