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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Öhrchen mussten mir einen Streich gespielt haben.
    Doch auch beim zweiten Abspielen blieb der Text der Nachricht unverändert. Mit meinen Hörorganen war also alles in bester Ordnung. Davon mal abgesehen, war aber rein gar nichts in Ordnung!
    Meine Eltern wollten kommen?
    Hierher?
    Unmöglich!
    Da musste ja wohl ein Missverständnis vorliegen. Und zwar eins der übelsten Sorte. Ob Thomas mal wieder seine dreckigen Fingerchen im Spiel hatte?
    Abwechselnd wurde mir heiß und kalt. Ein grauenvolles Gefühl, diese Hitzewallungen! Bitte, lieber Gott, mach, dass ich nie in die Wechseljahre komme, betete ich. Und lass mich aus diesem Albtraum schnell erwachen, schickte ich gleich noch hinterher. Hoffentlich hatte der liebe Gott an Weihnachten die Spendierhosen an!
    Mit einem Schlag waren mir alle Sünden wieder eingefallen: Thomas trug für das drohende Desaster nicht die Verantwortung, jedenfalls nicht mehr als ich. Auf der letzten Familienfeier, es musste Ostern gewesen sein, hatten wir uns dazu hinreißen lassen, die ganze Bagage für Weihnachten zu uns nach Hause einzuladen. Alle schienen sich das gemerkt zu haben. Nur wir, die Gastgeber, bedauerlicherweise nicht.
    Aber was stört mich mein Geschwätz von gestern?!
    Ostern lag Urzeiten zurück, fast schon in einem anderen Leben! In hellem Aufruhr nuckelte ich an einer Haarsträhne herum, bis sie klatschnass war. Igitt!
    Meine Mutter hatte mich in den letzten Tagen ein paar Mal in der Redaktion angerufen, aber ich war so im Stress gewesen, dass ich sie gleich wieder abgewürgt hatte. Natürlich mit dem Versprechen, mich bei ihr zu melden. Himmel Donnerwetter, warum hatte ich sie bloß nicht zurückgerufen?
    Irgendwie musste ich das jetzt wieder gerade biegen. Meine Mutter war bereits nach dem ersten Läuten am Telefon.
    »Hallo, Mutsch, ich bin’s. Wie geht’s euch?«
    »Ach, Annette, wir freuen uns ja schon so. Ist Weihnachten nicht immer wieder herrlich? Hoffentlich hast du nicht zu viele Plätzchen gebacken. Ich bringe selbstverständlich auch welche mit. Spekulatius und Zimtsterne, die mag Thomas doch so gerne. Habt ihr schon den Weihnachtsbaum geschmückt? Soll ich etwas früher kommen, um dir mit der Gans zu helfen?«
    »Bleib, wo du bist!«, lag mir auf der Zunge. »Sehr lieb von dir, aber ich komme schon klar«, sagte ich stattdessen und versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen.
    Meine Mutter war total aufgedreht. Sie redete, als hätte jemand ’ne Münze eingeworfen. Keine Spur von Inflation – bei Mutsch bekam man für sein Geld noch richtig was geboten.
    Während ich nur mit einem Ohr zuhörte, wurde mir eins klar: Dies war ein denkbar schlechter Zeitpunkt für mein Geständnis. Wenn ich meinen Eltern nicht das Weihnachtsfest versauen wollte, würde ich die Wahrheit noch ein bisschen länger für mich behalten müssen.
    Toll, Annette, ganz toll, beglückwünschte ich mich. Das hast du jetzt von deiner Geheimniskrämerei. Ein feines Süppchen, das du dir da eingebrockt hast!
    Nach dem Telefonat mit meiner Mutter warf ich einen Blick in den Kühlschrank. Wie befürchtet, hatte sich in der vergangenen Nacht keine Gans ins Tiefkühlfach verirrt.
    Plötzlich dämmerte mir, warum Thomas es nicht für nötig hielt, sich auf die Ankunft seiner Mutter vorzubereiten. Er hatte die Einladung – genau wie ich – in der Aufregung der letzten Wochen schlicht und ergreifend vergessen. Und unsere Trennung publik gemacht hatte er offenbar auch noch nicht, sonst hätte Amelie schon längst bei ihrem Tommi auf der Matte gestanden. Obwohl die Lage ernst war, musste ich grinsen. Ob Thomas sich für mich auch schon eine hübsche Krankheit ausgedacht hatte? Mein Plan war gewesen, ihn heute mit einer fiebrigen Angina bei meinen Eltern zu entschuldigen. Nicht besonders einfallsreich, aber effektiv. Welche Lüge Amelie wohl am ersten Feiertag zum Weihnachtsgebäck aufgetischt bekommen hätte?
    In diesem Moment kam Thomas wortlos in die Küche geschlurft und schüttete sich – ebenfalls wortlos – eine Tasse Kaffee ein. Wir kommunizierten nur noch auf kleinen gelben Zettelchen miteinander, die an der Kühlschranktür klebten. Darauf standen dann lauter so nette Dinge wie »Bring endlich den Müll runter!« oder »Wo ist die gottverdammte Fernsehzeitung?«.
    »Thomas, es gibt da ein Problem.«
    »Habe ich was verpasst?« Unter dem Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen. Ich hatte schon fast vergessen, wie tief und männlich sie sich anhörte. »Seit wann reden wir

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