Die Lavendelschlacht
denn wieder miteinander?«
»Seit deine Mutter angerufen hat.«
»Meine Mutter?« Thomas verschluckte sich und prustete mir einen Schwall Kaffee entgegen. Vergeblich bemühte ich mich, der Fontäne auszuweichen. Treffer.
»Die ist nun wirklich die Letzte, der ich zugetraut hätte, dich wieder zur Vernunft zu bringen«, keuchte er.
Kommentarlos riss ich ein Zewatuch von der Rolle und tupfte notdürftig den Kaffee von meinem Sweatshirt. Das war weder der richtige Augenblick zum Streiten noch für Diskussionen. »Amelie kommt. Hierher. Ankunft: sechzehn Uhr, Düsseldorf Hauptbahnhof«, teilte ich ihm im Telegrammstil mit. »Meine Eltern werden eine Stunde später hier auflaufen.«
Thomas wurde kreidebleich. Sein bestürztes Gesicht war filmreif, selbst Kevin Costner hätte das nicht besser hingekriegt. »Du machst Scherze, oder?«
»Sehe ich so aus?« Selten war es mir so ernst gewesen!
Wir besprachen die Situation, kurz und bündig. Es war tatsächlich so, wie ich bereits vermutet hatte. Dieser miese, kleine Halunke hatte vorgehabt, mir morgen eine Magen-Darm-Grippe anzudichten. Auch nicht origineller als eine Angina!
Ob uns das nun gefiel oder nicht, wir saßen jetzt in einem Boot. Genauer gesagt in einem ziemlich maroden, leckgeschlagenen Kahn, der kurz vorm Absaufen stand! Die Invasion der übermächtigen Familiensippe würden wir nur überleben, wenn wir uns verbündeten.
»Waffenstillstand.« Thomas streckte mir die Hand entgegen. Ich zögerte einen Moment. Aber hatte ich eine andere Wahl?
Ich schlug ein.
Während sich Thomas, mit einer Einkaufsliste bewaffnet, ins weihnachtliche Getümmel stürzte, machte ich mich daran, die Wohnung mit Meister Proper Citrusfrische auf Vordermann zu bringen. Der Herr ist im Übrigen bei weitem nicht so arbeitswillig, wie einem in der Werbung vorgegaukelt wird. Einfach nur gut duften – das kann schließlich jeder. Anstatt mal seine properen Muskeln spielen zu lassen, überließ er mir die Schufterei. Von wegen Meister! Eine Frau Saubermann wäre mir entschieden lieber gewesen. Die hätte bestimmt mal mit angepackt!
Als ich in demütig gebückter Haltung den Küchenboden schrubbte, wurde mir das Ausmaß der Katastrophe erst richtig bewusst. Oje, oje, oje! Ich brauchte dringend mentale Unterstützung, sonst würde ich den Abend nicht überstehen. Nicht ohne Nervenzusammenbruch. Thomas würde wenigstens von seinem Bruderherz Beistand bekommen. Und ich? Wo blieb ich?
Rasch griff ich zum Telefon und lud Mona ein. Sie freute sich, Heiligabend nicht allein vor der Flimmerkiste hocken zu müssen, denn ihre Eltern waren in den sonnigen Süden geflohen, und Mona hatte sich geweigert, sie zu begleiten. So ein Dummerchen! Sogar Sangria aus Putzgefäßen hätte ich diesem Zauber hier mit Kusshand vorgezogen.
Eine Stunde später präsentierte mir Thomas seine mickrige Ausbeute. »Ich glaube, es steht nicht Weihnachten, sondern eine Hungersnot vor der Tür«, rechtfertigte er sich. »Die Regale waren total leer gehamstert. Auf meine Frage nach einer Weihnachtsgans haben mich die Verkäufer nur ausgelacht.« Trotz Hohn und Spott hatte er sein Bestes gegeben und drei tiefgekühlte Hähnchen ergattert.
»Na ja, immerhin besser als gar nichts«, brummte ich und studierte die Zubereitungsanleitung der Fertigknödel.
Auch den Christbaum, den Thomas in letzter Minute erstanden hatte, konnte man nicht unbedingt als Schönheit bezeichnen. Mehr braun als grün. Der saure Regen hatte ihm wohl ordentlich zugesetzt. Darüber hinaus machte der Stamm in der Mitte eine scharfe Rechtskurve. Wir mussten das Monster an der Gardinenstange festzurren, um es zum Stehen zu bringen. Anschließend behängten wir die Äste mit so vielen Kugeln und Lametta, dass von den braunen Nadeln kaum mehr was zu sehen war.
Meine Eltern ließen es sich nicht nehmen, beim Anblick unseres Weihnachtsbaums ein paar feuerwerkstypische »Aaaahs« und »Oooohs« auszustoßen. Vielleicht waren es aber auch bloß Schmerzenslaute.
Amelie hingegen hielt natürlich mit ihrem vernichtenden Urteil nicht hinter dem Berg. »Selten so einen hässlichen Christbaum gesehen.« In all den Jahren das erste Mal, dass wir einer Meinung waren. Aber eher hätte ich mir die Zunge abgebissen, als das zuzugeben.
Gott sei Dank klingelte es in diesem Moment. Froh, dem herzerfrischenden Plausch mit Amelie entfliehen zu können, lief ich zur Tür.
Mona und Thomas’ Bruder waren gleichzeitig eingetroffen.
»Tja, dann müssen wir uns wohl jetzt
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