Die Lavendelschlacht
küssen«, verkündete Kai, nachdem er mich begrüßt hatte, und grinste Mona schelmisch an.
»Äh, warum das? So gut kennen wir uns ja nun auch wieder nicht«, stammelte Mona, leicht aus der Fassung gebracht. Wie süß, sie konnte sogar rot werden.
Kai machte die Situation sichtlich Spaß, feixend deutete er auf den Mistelzweig über der Eingangstür. Na wunderbar, an so einen überflüssigen Tinnef hatte Thomas also gedacht.
»Ein wirklich schöner Brauch«, frohlockte Kai, und ehe ich einschreiten konnte, hatte er meine Freundin auch schon geküsst. »Hach, sind die beiden nicht ein entzückendes Paar«, jubelte meine Mutter, die gerade aus dem Wohnzimmer kam.
Dieser Meinung war ich nicht. Ganz und gar nicht. Ich hatte Kai im Verdacht, dass er Thomas bei der Sabotage meines Autos geholfen hatte, und war daher nicht besonders gut auf ihn zu sprechen.
Zähneknirschend lotste ich die Neuankömmlinge ins Wohnzimmer. Ich achtete genau darauf, dass Mona und Kai am Tisch nicht nebeneinander saßen. Schließlich konnte ich nicht zulassen, dass meine Freundin mit dem Feind kooperierte. Wahrscheinlich hatte Thomas seinen Bruder sogar auf Mona angesetzt, um sie auszuhorchen. Ihm war alles zuzutrauen!
Aber wieder einmal durchkreuzte Amelie meine Pläne. Sie habe die böse Schwiegermutter zwischen den Knien, beschwerte sie sich vorwurfsvoll. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass sie das Tischbein meinte.
Mann, wie gut konnte ich ihr das nachfühlen! Mit der bösen Schwiegermutter, meine ich. Aber dieser Kelch war ja Gott sei Dank nochmal an mir vorübergegangen.
Bevor ich Amelie anbieten konnte, mit ihr den Platz zu tauschen, war Kai bereits aufgesprungen. Mist, jetzt saß er also doch neben Mona! Während meine Eltern in epischer Breite von ihrem letzten Kegelausflug erzählten, plauderten die beiden am anderen Tischende angeregt. Leider konnte ich nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten.
Kai verschlang Mona fast mit seinen Augen. Auseinander!, sag ich. Am liebsten wäre ich mit dem Wischmopp dazwischengefahren!
Nach dem Essen half mir Mona beim Tischabräumen. »Bis jetzt läuft doch alles ganz gut«, sagte sie, als wir endlich in der Küche allein waren.
»Abgesehen davon, dass ich Amelie liebend gerne den Hals umdrehen würde«, grollte ich. Während sich alle anderen mit großem Appetit über das Hähnchen hergemacht hatten – völlig schnuppe, ob das Vieh mal gekräht oder geschnattert hatte, es war ja jetzt eh tot –, hatte sie mal wieder gestänkert. »Annette, ich kann verstehen, dass du dich an die Gans nicht rangetraut hast. Du warst ja nie eine besonders gute Köchin.«
»Eine wirklich unangenehme Person«, stimmte meine Freundin mir zu. Ich fand, das war noch stark untertrieben.
»Aber Kai ist echt nett. Komisch, dass er seine Freundin nicht mitgebracht hat«, bemerkte sie beiläufig, während sie die dreckigen Teller und Schüsseln in der Geschirrspülmaschine verstaute.
Überrascht horchte ich auf. »Welchen Bären hast du dir denn da aufbinden lassen? Kai hat doch gar keine Freundin.«
»So, hat er also nicht.« Mona lächelte zufrieden.
Verdammt, dieses kleine Luder hatte mich reingelegt! Ganz schön gerissen. Und dann auch noch dieser unschuldige Gesichtsausdruck. Ich hatte nicht gewusst, wie viel schauspielerisches Talent in ihr schlummerte.
Zugegeben, Kai war wirklich attraktiv. Und intelligent. Und charmant. Aber er hatte auch eine negative Eigenschaft, die alle seine Vorzüge in den Schatten stellte: Er war Thomas’ Bruder. Am besten, ich brachte Mona schnell wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurück. »Hör mal, Mona, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – denk bloß an Amelie! Bei Thomas und Kai, diesen reizenden Früchtchen, ist eine Menge faul. Ich sage dir, die beiden sind total verkorkst. Mit einem Wort: beziehungsuntauglich.«
Als wir alle in der Couchecke vor dem Kamin beisammensaßen, klatschte meine Mutter in die Hände. »Jetzt ist es aber Zeit für die Bescherung.«
Bescherung? Richtig, zu Weihnachten gehörten ja auch Geschenke. Ich schaute Thomas an. Thomas schaute mich an. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf und zuckte die Schultern. Wir standen also mit leeren Händen da – in der Tat eine schöne Bescherung!
Beruhigend legte Thomas den Arm um mich. He, Moment mal, war das überhaupt erlaubt?! Schließlich hatten wir lediglich einen Waffenstillstand geschlossen. Egal, es tat wahnsinnig gut! Außerdem war das doch eh nur Teil unserer
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