Die Lavendelschlacht
ein und griff nach meinen Zigaretten. Thomas, der damit beschäftigt war, meinen CD-Ständer in seine Einzelteile zu zerlegen, warf mir einen anklagenden Blick zu. Der sprach Bände: Was für eine Rabenmutter! Nikotin, Koffein ... Wirklich überwältigend, was er sich für Sorgen machte, dachte ich voller Ironie. Zumal er sich bisher ja nun nicht gerade als treu sorgender Papi hervorgetan hatte.
Thomas glaubte immer noch, dass ich schwanger sei. Anfangs hatte ich mir eingeredet, dass ich ihm die Wahrheit verschwieg, um ihm eine Lehre zu erteilen. In Wirklichkeit hatte ich tief in meinem Inneren gehofft, dass er nach dem ersten Schock irgendwann zur Besinnung kommen würde. Aber der Zug war abgefahren!
Ich drückte energisch die Zigarette aus und schnappte mir die Kiste mit den Blumenvasen, um sie zu dem ganzen anderen Kram ins Treppenhaus zu schleppen.
Ich kam jedoch nur bis zur Wohnzimmertür, wo mir Thomas die Kiste aus den Händen riss. »Annette, lass das! Du sollst doch in deinem Zustand nicht so schwer heben.«
Annette-lass-das war der neue Doppelname, den Thomas sich für mich ausgedacht hatte. Seine Fürsorge war der reinste Hohn, und sein vorwurfsvoller Gesichtsausdruck brachte das Fass zum Überlaufen. »Ist ja rührend, wie du dich um mich sorgst«, spottete ich. »Sag mal, wann kapierst du es eigentlich? Ich bekomme kein Kind!«
Thomas’ Augen weiteten sich entsetzt. »Du hast ... du hast es doch nicht wegmachen lassen, oder?«, stotterte er völlig aus der Fassung gebracht. »Scheiße. Annette, da hättest du vorher mit mir drüber reden müssen. Schließlich ist es auch mein Kind.«
»Ach, das fällt dir aber früh ein«, erwiderte ich kalt. »Aber nur zu deiner Beruhigung: Ich war nie schwanger.«
»Was redest du da? Quatsch keine Opern, ich hab doch den Schwangerschaftstest gesehen.«
»Ach richtig, der Test. Ja, den Test hast du leider nicht bestanden.«
Während Thomas sich verdattert auf den nächsten Stuhl fallen ließ, wuchtete ich den Karton weiter zur Wohnungstür.
»Was machst du da?« Thomas sprang auf.
»Wonach sieht’s denn aus?«, fragte ich schnippisch. »Der Karton muss ins Treppenhaus. Du kannst mir gerne dabei helfen. Oder hilfst du nur schwangeren Frauen?«
»Hör auf mit dem Scheiß! Meinst du nicht, du bist mir erst mal eine Erklärung schuldig?«
»Nein!« Ich griff nach der Klinke, aber Thomas war schneller. Er drehte meinen Schlüsselbund, der von innen steckte, herum und zog ihn ab.
»Gib mir gefälligst den Schlüssel.«
Thomas hielt den Schlüssel so hoch über den Kopf, dass ich schon einen Hocker oder eine Leiter gebraucht hätte, um dranzukommen. »Wie heißt das Zauberwort?«
»Gefälligst!« Ich war echt nicht in Stimmung für solche Spielchen. »Und jetzt gib her.«
»Erst, wenn wir miteinander geredet haben.«
»Pah, da kannst du aber lange warten.«
»Na schön, dann warten wir eben.« Thomas öffnete das Küchenfenster. Er würde doch wohl nicht etwa ...
Er würde nicht, er hatte bereits. Mein Schlüssel lag unten auf dem Bürgersteig.
»Sag mal, was soll denn dieser Zirkus?«, keifte ich.
»Das frage ich mich allerdings auch langsam. Was hast du mit diesem getürkten Schwangerschaftstest eigentlich bezweckt?«
»Bist du eigentlich von Natur aus so blöd, oder nimmst du Unterricht?« Aufgebracht griff ich nach der Rolle mit Klebeband und verschloss die nächste Kiste. »Ich wollte dich auf die Probe stellen, und das ist mir ja wohl auch gelungen.«
»Vermutlich bist du sogar noch stolz –«
Der Rest des Satzes blieb Thomas im Hals stecken, denn in diesem Moment machte sich von außen jemand an unserer Wohnungstür zu schaffen. Verunsicherte Blicke flogen zwischen uns hin und her. Falls ein Einbrecher meinen Schlüssel unten auf der Straße gefunden hatte, so würde er doch wohl die Klugheit und den Anstand besitzen, zu warten, bis niemand zu Hause war. Hoffte ich zumindest. Davon mal abgesehen, konnte ein Fremder unmöglich wissen, dass es der Schlüssel zu dieser Wohnung war. Es sei denn, er hatte zufällig beobachtet, wie er aus dem Fenster geflogen war.
Die Tür wurde einen Spalt geöffnet. Das Erste, was ich zu sehen bekam, war das kleine Grübchen. Dann das grinsende Gesicht, und schließlich stand Josch in voller Pracht und Größe bei uns in der Diele. »Vermisst ihr zufällig den hier? Der Anhänger kam mir so bekannt vor.« Klimpernd ließ Josch den Schlüsselbund mit Linus’ alter Hundemarke auf und ab tanzen.
Wütend
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