Die Lavendelschlacht
fuhr Thomas zu seiner Mutter nach Heidelberg. Amelie lag im Krankenhaus. Eine harmlose Blinddarmoperation, aber sie jammerte, als hätten ihr die Ärzte nicht den Wurmfortsatz, sondern ein Bein amputiert. Ich hatte mich vor diesem Besuch erfolgreich gedrückt. Meine Schwiegermutter in spe war im gesunden Zustand schon unausstehlich genug. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie ihre Umgebung vom Krankenbett aus drangsalierte. Nein danke, ohne mich!
Darüber hinaus war ich froh, endlich mal ganz für mich alleine zu sein. Ich brauchte dringend Zeit zum Nachdenken. Seit unserem Missgeschick mit dem Kondom taten wir so, als wenn nichts passiert wäre. Aber die Heftigkeit von Thomas’ Reaktion hatte mir zu denken gegeben. Immerhin war es möglich, dass eine seiner Samenzellen tatsächlich das Ziel erreicht hatte. Und dann? Ein paarmal hatte ich schon probiert, mit Thomas darüber zu reden. Zwecklos. Er hatte gleich dichtgemacht und das Gespräch abgeblockt.
Jeden Tag horchte ich in mich hinein, doch ich hatte bis jetzt noch nicht das leiseste Anzeichen einer Veränderung entdeckt. Keine morgendliche Übelkeit, kein Spannungsgefühl in den Brüsten, kein Heißhunger auf Essiggurken oder andere absonderliche Dinge, nichts dergleichen! Eigentlich war es für solche Symptome natürlich noch einige Wochen zu früh, aber für mich war die Sache klar: Ich war nicht schwanger.
Oder vielleicht doch? Keine fünf Minuten später war ich plötzlich vom Gegenteil überzeugt.
So oder so, ich würde erst dann Gewissheit haben, wenn ich meine Tage bekam. Oder eben nicht. Aber so lange wollte ich nicht warten. Hatte Frauke mir nicht mal von einem so genannten Prétest erzählt, einem Schwangerschaftstest, der frau schon vor dem Ausbleiben der Periode anzeigte, was Sache war? Genau so etwas brauchte ich jetzt!
Zu blöde aber auch, dass ausgerechnet Sonntag war! Nachdem ich endlich nach langen, zähen Recherchen herausgefunden hatte, welche Apotheke an diesem Wochenende zum Notdienst verdonnert war, durfte ich erst einmal kreuz und quer durch die ganze Stadt kutschieren. Wirklich eine Zumutung! Toller Notdienst, hätte ich Durchfall gehabt, wäre das im wahrsten Sinne des Wortes ganz schön in die Hose gegangen!
Die Apothekerin reagierte leicht irritiert, als ich ihr mein Anliegen vortrug. »Sagten Sie gerade, Sie möchten fünf Schwangerschafts-Frühtests haben?«
»So ist es.« Freundlich nickte ich ihr zu.
»Diese Tests sind wirklich sehr gut, das können Sie mir glauben. Fast hundertprozentig sicher. Es reicht also, wenn Sie einen Test machen. Die anderen vier brauchen Sie nicht«, bestimmte die Dame im weißen Kittel resolut und verschwand hinter den Regalen.
Verdammt, was wusste die schon, was ich brauchte?!
Sonst waren Apotheker doch auch nicht so knauserig. Die, die ich bisher kennen gelernt hatte, waren jedenfalls alle ganz versessen darauf, ihren Umsatz anzukurbeln. Vielleicht noch ein kleines Vitaminpräparat, damit Sie in der kalten Jahreszeit nicht krank werden? Oder Bonbons, garantiert zuckerfrei und garantiert doppelt so teuer wie im nächsten Supermarkt! Oder das neuartige Pflaster gegen Pickel. Was, Sie haben keine Pickel? Macht nichts, kommt bestimmt noch!
Normalerweise verließ ich die Apotheke immer mit einem voll gepackten Beutelchen, obwohl ich eigentlich nur eine Packung Aspirin hatte erstehen wollen. Die sterile Atmosphäre und die properen, aus allen Poren Gesundheit verströmenden Apothekenhelferinnen erzeugten bei mir regelmäßig ein schlechtes Gewissen.
»So! Bitte schön.« Die Frau in Weiß war zurückgekehrt und legte mir aufmunternd lächelnd ein schmales Schächtelchen mit der Aufschrift »Jetzt will ich’s wissen« auf die Ladentheke.
»Ich brauche aber fünf«, beharrte ich völlig uneinsichtig auf meinem Wunsch.
»Früher waren diese Tests nicht besonders zuverlässig. Aber heutzutage –« Ein etwas säuerlicher Zug erschien um ihren Mund. Doch davon ließ ich mich nicht einschüchtern.
»Fünf«, wiederholte ich stur.
»Ja, wenn Sie mir nicht glauben ...« Beleidigt trollte sich die Apothekerin und tauchte einige Minuten später mit den gewünschten Schwangerschaftstests wieder auf. Fünf an der Zahl. Schnell, bevor sie es sich anders überlegen konnte, entriss ich ihr die Schächtelchen.
Dann zückte die Dame im weißen Kittel ihren Quittungsblock und bekam sofort wieder Oberwasser. Schadenfroh präsentierte sie mir die Rechnung für meine Uneinsichtigkeit. »96 Euro 15 Cent
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