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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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schwer nachzuvollziehendes Zurechtbiegen der Erbfolgeregelung. Ich fand, das war eine gute Möglichkeit, mich da irgendwie mit hineinzumogeln. Um die damals aktuellen Verwandtschaftsverhältnisse zu recherchieren und mir die entsprechenden Papiere zu beschaffen, zog ich mich zurück in ein kleines Städtchen bei London. Dort lebte ich etwas über zwanzig Jahre.
    Allerdings hatte ich durch meine lange Abwesenheit und meine Sorglosigkeit auf den Reisen mit Rinaldo überhaupt keine Vorstellung davon, wie viel besser und vernetzter die Nachrichtendienste inzwischen durch den Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich und den ›Krieg der Rosen‹ zwischen den Häusern Lancaster und York geworden waren. Es wimmelte überall von Spionen aller möglichen Couleur. Informationen waren zu einem Handelsgut geworden und der Markt dafür groß.
    Hatte es zuvor immer Jahre gedauert, bis aus den ersten ängstlichen Gerüchten um meine ewige Jugend eine handfeste Bedrohung für meine Sicherheit wurde, war das nunmehr nur noch eine Sache von wenigen Wochen. Einigen Bewohnern des Städtchens war aufgefallen, dass ich seit meiner Ankunft zwanzig Jahre zuvor keinen Tag gealtert war, doch bevor mir selbst das zu Ohren kam, hatten mich die Spione des Ordens bereits aufgespürt.
    Ihrem ersten Angriff auf mein Haus konnte ich noch entkommen. So sorglos war ich dann doch wieder nicht, dass ich ein Haus ohne Fluchttunnel erworben hätte. Aber sie waren mir auf den Fersen. Fast zehn Jahre verfolgten sie meine Spur und jagten mich unermüdlich durch halb Europa. Bis sie mich schließlich im polnischen Königsberg bei dem Versuch, ein Schiff nach Gotland zu betreten, stellten und gefangen nahmen.
    Sie brachten mich auf ihr eigenes Schiff, um mich auf dem Seeweg über Ost- und Nordsee, Atlantik und Mittelmeer nach Rom zu schaffen. Das war zwar wesentlich weiter, aber um einiges sicherer als der Landweg. Die Jagellionen herrschten über ganz Polen, Böhmen und Ungarn und waren einem katholischen Orden alles andere als freundlich gesonnen. Außerdem wurde die Region zu der Zeit massiv von Krimtartaren auf der Jagd nach Sklaven heimgesucht.
    Schon auf der Schiffsreise begannen die Ordensbrüder mit dem Foltern, um mich zu zwingen, ihnen die Lage der Quelle zu verraten. Es war furchtbar. Bei all dem, was ich bis dahin schon erlebt hatte, war mir noch nie so viel Grausamkeit widerfahren. Ich sammelte meine Kräfte so gut es ging und bereitete mich auf die Flucht vor. Bei einem Zwischenhalt in Lissabon schließlich gelang es mir, einen meiner Wächter zu verführen, ihn unschädlich zu machen und von Bord zu springen. Wie schon ein paar Jahrzehnte zuvor in Flensburg tauchte ich durch den Hafen, kletterte auf ein Schiff und versteckte mich dort, weil ich mir sicher war, dass sie mich in der Stadt suchen würden.
    In einem der unteren Laderäume legte ich mich schlafen, um mich zu erholen – und als ich wieder wach wurde, befand sich das Schiff auf hoher See. Ich belauschte zwei Tuchflicker, um herauszufinden, wohin die Reise ging, und war nicht schlecht überrascht: Das Ziel des Schiffes war Brasilien!
    Ich hatte Nachrichten gehört von der Entdeckung einer neuen Welt durch Kolumbus, Vespucci, Cabral und andere und wusste, dass dieses Brasilien sehr weit weg war von den Monstern, die mich durch halb Europa gejagt hatten. Also begrüßte ich die Idee, dorthin zu segeln, verkleidete mich als Mann und mischte mich unter die Mannschaft.
    Nach einigen Wochen erreichten wir Land, und ich schlich mich von Bord. Und es sollte über dreihundert Jahre dauern, ehe ich wieder einen Fuß auf europäischen Boden setzte.
    Ich liebte diese neue Welt. Sie war so ursprünglich, so herrlich unzivilisiert im besten aller Sinne. Die ersten Jahrzehnte verbrachte ich mit Wanderungen die Küste entlang nach Norden. Ich freundete mich mit den Eingeborenen an, zog von Stamm zu Stamm und half ihnen beim Jagen und beim Fischen. Ich blieb nie lange genug, um Gefahr zu laufen, dass jemand entdeckte, dass ich nicht altere. Die Erfahrung mit den Ordensbrüdern steckte mir noch zu tief in den Knochen.
    Mein Weg führte mich über Venezuela, Panama und Costa Rica bis nach Mexiko. Dort hatte inzwischen Cortez auf die brutalste Weise gewütet, und das Land war geradezu überschwemmt von Missionaren. Da zu befürchten war, dass darunter auch Mitglieder des Ordens waren, zog ich so schnell wie möglich weiter nach Norden und entfernte mich auch von der Küste, um den jungen Kolonien der

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