Die Lazarus-Formel
die neumodische Keltenverehrung, die unter anderem durch Romane wie Die Nebel von Avalon ins Leben gerufen worden war, und zahlreiche andere Sagen um König Artus und seinen Kampf gegen die angeblich so grausamen barbarischen Eroberer aus dem Osten in einem völlig neuen Licht erscheinen. Vor allem, da Margaret behauptet hatte, dass an diesem Ort das wirkliche, das historische Avalon gewesen war.
Ad Vallum . A Fallan .
Wenn Eve davon ausging, dass die Legende vom Heiligen Gral, dem Kelch der Unsterblichkeit, ihre Wurzeln in der Quelle des ewigen Lebens hatte – und für sie wurde das immer wahrscheinlicher –, konnte sie sich das majestätische und erhabene Edinburgh Castle sehr gut als Gralsburg vorstellen.
Der Chauffeur lenkte den nahezu geräuschlos über den Asphalt gleitenden Rolls in einer Südkurve um die Klippen des gewaltigen Basaltbrockens herum zu seiner östlichen Flanke, wo ein flacherer, relativ schmaler Anstieg den einzigen Zugang zur Festung bildete. Ähnlich wie bei Glastonbury Tor, nur spiegelverkehrt und in der gesamten Dimension sehr, sehr viel größer.
»Deshalb konnte Dun Eidyn, Odins Burg, nie erobert werden«, sagte Margaret, und in ihrer Stimme schwang mehr als nur eine Portion Stolz. »Nicht von den Kelten, nicht von den Römern – und auch zu meiner Zeit nicht von den Normannen. Spiegelglatte Felswände. Nur ein einziger Zugang. Leicht zu verteidigen.«
»Und hier hast du …?«, begann Eve, doch Margaret legte ihr schnell die Hand auf den Mund und warf einen mahnenden Blick in Richtung des Chauffeurs.
Dann aber nickte sie. »Bald, Eve. Bald.«
»Ich fahre Sie zur Esplanade vor der Burg«, sagte der Chauffeur. »Dort werden Sie von Mister Ryan MacDougall erwartet, dem Leiter der Schlossverwaltung.« Rinaldo hatte das organisiert. »Das dort vorn wird er sein.«
Eve schaute nach vorn durch die Frontscheibe und auf den weiten Platz vor der Burg. Dort stand ein Mann, vielleicht Ende fünfzig, nicht sehr groß und eher gedrungen. Ein kurz geschorener rötlich grauer Haarkranz umgab seine wie poliert wirkende Glatze, und in dem dreiteiligen Tweedanzug und mit dem schwarzen Gehstock mit Silberknauf wirkte er wie der Schlossherr persönlich. Er betrachtete den ankommenden Wagen mit stoisch-prüfendem Blick, so als ob dessen Ankunft die heilige Ruhe des Schlosses störte oder – schlimmer noch – seine.
»Wir nehmen nur den Chemiekoffer mit und die Tasche für die Proben«, sagte Eve zu dem Chauffeur, während er den Wagen zum Halten brachte. »Die übrigen Sachen bringen Sie bitte in unser Hotel.«
Rinaldo hatte zwei Suiten im Balmoral für sie reservieren lassen.
»Sehr wohl«, sagte der Chauffeur und stieg aus, um Eve und Margaret die Türen des Rolls zu öffnen.
MacDougall wartete, bis sie den Wagen verlassen hatten, dann trat er nach vorn und verneigte sich. »Herzlich willkommen auf Edinburgh Castle.«
Eve machte einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. »Haben Sie vielen Dank, dass Sie uns zu dieser fortgeschrittenen Stunde überhaupt noch empfangen.«
»Wie könnte ich zwei so bezaubernden jungen Damen etwas ausschlagen?«, sagte MacDougall höflich.
Es war wohl eher die Spende der stolzen Summe von einhunderttausend Euro, die Rinaldo am Mittag gemacht hatte, die diesen späten Exklusivbesuch ermöglicht hatte.
Er schüttelte auch Margaret die Hand, und als er im Licht der Laternen ihr Gesicht sah, stutzte er plötzlich für einen Augenblick und sah sie dann prüfend an.
Er räusperte sich. »H-hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie unserer Schutzheiligen St. Margaret verdammt ähnlich sehen?« Das »verdammt« passte so gar nicht zu seinem distinguierten Auftreten. Es war offenbar ein Ausrutscher, der zeigte, wie sehr ihn die Ähnlichkeit verblüffte.
Margaret lächelte geschmeichelt – und auch ein wenig wohlwollend. »Oft«, sagte sie. »Familienähnlichkeit, wissen Sie.«
Seine Teddybäraugen weiteten sich, und sein Mund bildete ein kleines O. Dann verneigte er sich so tief, wie es sein Bauch zuließ. »Eure Hoheit.«
»Nicht doch«, sagte Margaret, und es klang geziert, fast schon verlegen. Aber Eve konnte am Funkeln in ihrem Blick erkennen, dass sie mit dieser Bescheidenheit nur kokettierte und in Wirklichkeit die Huldigung genoss. »Bitte. Ich bin inkognito hier.«
»Natürlich.« MacDougall räusperte sich noch einmal und richtete sich wieder auf. »Verzeihung.« Sein ganzes Gesicht strahlte auf einmal, und der Hauch von an Arroganz
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