Die Lazarus-Vendetta
schallgedämpften Schuss.
Sie rieb sich mit einem behandschuhten Finger über ihre perfekt gerade Nase und bemühte sich, ihre wütend durcheinander rasenden Gedanken zu beruhigen. »Wer zum Teufel sind diese Typen?«, flüsterte sie.
»Vielleicht vom DGSE? Oder dem GIGN?«, überlegte Max laut, womit er den französischen Auslandsgeheimdienst und die Antiterror-Spezialeinheit des Landes meinte.
Randi nickte. Das war möglich. Die französischen Nachrichtendienste und die Antiterroreinheiten waren dafür bekannt, dass sie mit harten Bandagen arbeiteten – mit sehr harten. War sie soeben Zeuge eines Exempels der von der Regierung sanktionierten »nassen Arbeit« geworden, die dem Zweck diente, Frankreich von einer Gefahr für die innere Sicherheit zu befreien, ohne die Unannehmlichkeiten und Unkosten einer Verhaftung und eines öffentlichen Prozesses?
Vielleicht, dachte sie bitter. Wenn ja, dann war es eine ausgesprochen dumme Aktion gewesen. Als er noch lebte, war Ahmed Ben-Belbouk ein Fenster zum Untergrund des islamischen Terrorismus gewesen – eine Welt, in die einzudringen für die westlichen Nachrichtendienste so gut wie unmöglich war. Tot war er für alle nutzlos.
»Sie hauen ab«, flüsterte Max’ Stimme in ihr Ohr.
Randi beobachtete, wie die drei Männer in Overalls ihre Leiter zusammenklappten, sie in ihren Lieferwagen verstauten und davonfuhren. Augenblicke später bogen ein schwarzer BMW und ein kleiner Ford Escort in die dunkle Straße und folgten dem Lieferwagen. »Hast du die Nummernschilder der Wagen notiert?«, fragte sie.
»Ja, ich hab sie«, erwiderte Max. »Es waren Pariser Nummern.«
»Gut. Wir schicken sie durch den Computer, wenn wir hier fertig sind. Vielleicht spuckt er was darüber aus, von welchem Verein diese Knallköpfe waren, die uns eben so professionell in die Suppe gespuckt haben«, sagte sie grimmig.
Randi blieb noch einige Minuten unter dem ausgebrannten Autowrack liegen und nahm durch ein Nachtglas die kleinen grauen Kästen an den Laternenmasten genauer in Augenschein. Je länger sie die Kästen betrachtete, umso merkwürdiger kamen sie ihr vor. Sie sahen aus wie Behälter für eine Reihe unterschiedlicher Messfühler und Sensoren – inklusive verschiedener Öffnungen für Kameraobjektive und Vorrichtungen zur Entnahme von Luftproben sowie einer kurzen, dicken Sendeantenne oben drauf.
Seltsam, dachte sie. Sehr seltsam. Wieso würde jemand Geld zum Fenster rauswerfen und ein ganzes Netz von sehr teuren wissenschaftlichen Instrumenten in einem von Kriminalität und Vandalismus beherrschten Slum wie La Courneuve installieren? Die Kästen waren zwar einigermaßen unauffällig, aber sie waren nicht unsichtbar. Sobald die Einwohner sie entdeckten, würden die Kästen und mit ihnen ihr Inhalt nicht mehr länger als ein paar Minuten dort oben hangen. Warum also hatten sie BenBelbouk erschossen, nur weil er angefangen hatte, ein Geschrei zu veranstalten? Sie schüttelte frustriert den Kopf. Ohne ein paar Steine mehr zu diesem Puzzle, machte nichts von dem, was sie heute Nacht gesehen hatte, irgendeinen Sinn.
»Weißt du, was ich denke, Max? Ich denke, wir sollten uns das, was diese Typen installiert haben, genauer ansehen«, ließ sie ihren Kollegen wissen. »Aber wir müssen uns eine Leiter besorgen, um da raufzukommen.«
»Heute Nacht besser nicht«, warnte ihr Partner. »Die Verrückten, Drogensüchtigen und Dschihad-Boys werden jeden Augenblick hier auftauchen, Boss. Wir sollten uns verziehen, solange es noch möglich ist.«
»Ja, du hast Recht«, stimmte Randi zu. Sie verstaute ihr Nachtglas und kroch geschmeidig rückwärts unter dem abgefackelten Renault hervor. Ihr Gehirn arbeitete noch immer auf Hochtouren. Je länger sie darüber nachdachte, umso unwahrscheinlicher kam es ihr vor, dass die Männer, die diese merkwürdigen Kästen mit Kameras und irgendwelchen Messgeräten installierten, von Anfang an geplant hatten, Ahmed Ben-Belbouk zu erschießen. Vielleicht war sein Tod nur so was wie ein nicht beabsichtigter kollateraler Schaden gewesen. Aber wer waren diese Männer dann, fragte sie sich, und was für Absichten verfolgten sie wirklich?
Kapitel achtundzwanzig
SONNTAG, 17. OKTOBER, Ländliches Virginia
FBI Deputy Assistant Director Kit Pierson sah den verwitterten Wegweiser im Licht der aufgeblendeten Scheinwerfer ihres VW Passat. HARDSCRABBLE HOLLOW – ¼ MEILE. Das war ihr nächster Orientierungspunkt. Sie trat vorsichtig auf die Bremse und drosselte ihre
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