Die Lazarus-Vendetta
reckte die Schultern, spürte seine verspannten Muskeln und hörte, wie die Gelenke leise knackten. Die letzte Viertelstunde Fahrt war nervenaufreibend.
Das Nachtsichtgerät entsprach dem neuesten Stand der Entwicklung, trotzdem waren die Bilder, die die dritte Generation dieser Geräte lieferte, nicht perfekt – sie waren monochrom mit einem leichten Stich ins Grüne, und sie waren etwas zu körnig. Man konnte ohne Scheinwerfer fahren, wenn man sie trug, aber es erforderte große Anstrengung und hohe Konzentration, nicht von der Straße abzukommen oder auf den vorausfahrenden Wagen aufzufahren.
Der Regierungslimousine zu folgen, die Kit Pierson vom Hoover Building des FBI zu ihrer Wohnung in Upper Georgetown gebracht hatte, war im Vergleich dazu ein Kinderspiel gewesen. Selbst am späten Samstagabend herrschte auf den Straßen Washingtons dichter Verkehr, und es war eine relativ leichte Übung gewesen, sich mit zwei oder drei Wagen dazwischen unbemerkt an die dunkle Limousine dranzuhängen.
Weder Jon noch Peter waren überrascht, als Kit Pierson nur Minuten später wieder das Haus verließ und diesmal ihren eigenen Wagen benutzte. Sie waren sich beide von Anfang an sicher gewesen, dass diese plötzlich anberaumte Besprechung mit ihren Vorgesetzten nur ein Vorwand war, ein Mittel zum Zweck, ihre wahren Gründe zu verbergen, weshalb sie es so eilig hatte, nach Washington zu fliegen. Doch erneut war es vergleichsweise einfach gewesen, ihr unauffällig zu folgen – zunächst zumindest. Es war erst schwierig geworden, als sie vom Highway herunterfuhr und mehrere Male auf immer schmaler werdende Nebenstraßen bog, auf denen so gut wie kein Verkehr war. Und Kit Pierson war keine Närrin. Sie wäre sicherlich misstrauisch geworden, wenn sie auf dieser dunklen und sonst leeren Straße über Meilen hinweg ständig dieselben zwei Scheinwerferpaare in ihrem Rückspiegel gesehen hätte.
Aus diesem Grund waren Smith und Peter Howell schließlich gezwungen gewesen, ihre Nachtsichtgeräte aufzusetzen und die Scheinwerfer auszumachen. Trotzdem mussten sie sich viel weiter hinter Piersons Passat zurückfallen lassen, als ihren Nerven zuträglich war, und konnten nur hoffen, dass sie die Abzweigung nicht verpassten, die Pierson schließlich nahm, um zu ihrem Rendezvous zu gelangen.
Smith ließ seinen Blick den Schotterweg entlangschweifen. Er konnte nur ein kleines Haus am Kamm einer niedrigen Anhöhe ausmachen. Im Haus brannte Licht, und er konnte erkennen, dass zwei Wagen davor parkten. Das sah ganz danach aus, als könnte das der Ort sein, den sie suchten.
»Was denkst du?«, fragte er Peter leise.
Der Engländer deutete auf die aufgefaltete geologische Generalstabskarte im Maßstab 1:20000 auf dem Sitz neben ihm. Sie gehörte zu einem ganzen Satz von Karten der weiteren Umgebung von Washington, der Teil der Ausrüstung war, die sie in den am Luftwaffenstützpunkt Andrews für sie bereitgestellten Wagen fanden. Das Infrarotlicht ihrer Nachtsichtgeräte machte es möglich, die Karte zu lesen. »Dieser
schmale Weg führt nirgendwo anders hin, als zu der Farm dort oben«, sagte er. »Und ich bezweifle ernsthaft, dass Ms Pierson vorhat, mit ihren Wagen querfeldein zu fahren.«
»Wie sieht unser Plan aus?«, fragte Smith.
»Ich schlage vor, wir fahren ’ne Viertelmeile oder so zurück«,
sagte Peter. »Mir ist vorhin ein mit Büschen zugewuchertes Wäldchen aufgefallen, in dem wir die Autos verstecken können. Wenn wir unsere Ausrüstung angelegt haben, können wir uns zu Fuß leise bis zum Farmhaus vorarbeiten.« Er zeigte erneut seine Zähne. »Ich für meinen Teil würde verdammt gern wissen, wem Ms Pierson so spät in der Nacht noch ’nen Besuch abstattet. Und was genau sie zu besprechen haben.«
Smith nickte grimmig. Er war sich plötzlich ziemlich sicher, dass einige der Antworten, die er suchte, in dem Haus auf dem Hügel verborgen waren.
Kapitel neunundzwanzig
Nahe Meaux, östlich von Paris
Die Ruine des Château de Montceaux, besser bekannt als das Château der Königinnen, lag inmitten des Forsts von Montceaux, einem ausgedehnten Waldgebiet, das sich etwa fünfzig Kilometer östlich von Paris vom Ufer der Marne nach Süden erstreckte. Das elegante Lustschloss mit einem weitläufigen Park und großem Jagdrevier war Mitte des 16. Jahrhunderts auf Geheiß der mächtigen, klugen und fintenreichen Königin Catherine de Medici, der Gemahlin eines Königs von Frankreich und Mutter von drei weiteren französischen
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