Die Lazarus-Vendetta
nächsten pervertierte er dieselbe Technologie für seine eigenen finsteren Zwecke und benutzte sie, um sogar seine ergebensten Anhänger wie Labormäuse abzuschlachten. Mit einer Hand manipulierte er hohe Beamte der CIA, des FBI und MI6, einen heimlichen Krieg gegen die Bewegung zu führen, die er kontrollierte, und mit der anderen sorgte er dafür, dass sich derselbe illegale Krieg gegen sie selbst richtete und seine Feinde im entscheidenden Augenblick blind, taub und stumm machte.
»Und wo ist dieser Mann, den Sie Lazarus nennen?«, fragte er.
Abrates sagte nichts. Er nahm einen kurzen, röchelnden Atemzug und begann unkontrolliert zu husten; er würgte und krächzte rasselnd, um seine Lungen freizubekommen. Er ertrank, wie Smith wusste, im wahrsten Sinn des Wortes an seinem eigenen Blut.
Rasch drehte Smith den Kopf des jungen Mannes auf die Seite, was ihm momentane Erleichterung und ein wenig Luft verschaffte, die er brauchte. Rote, zähe Blutfäden spritzten aus Abrantes’ verzerrtem Mund. Der Hustenanfall ließ nach und verebbte.
»Vitor! Wo ist Lazarus?«, wiederholte Smith drängend. Randi wandte sich von dem Computer ab, den sie untersucht hatte, und trat neben Smith. Sie lauschte aufmerksam mit vorgeneigtem Kopf.
» Os Açores « , flüsterte Abrantes. Er hustete erneut, und noch mehr Blut quoll aus seinem Mund. Er sog in einem kurzen, flachen Atemzug ein wenig Luft in seine Lungen. » O console do dol. Santa María. « Dieses Mal war die Anstrengung zu groß. Er versuchte Atem zu holen, bäumte sich gequält auf und wurde von einem langen, krampfartigen Hustenanfall geschüttelt. Als er vorüber war, war Abrantes tot.
»War das ein Gebet?«, fragte Randi.
Smith runzelte die Stirn. »Wenn, dann bezweifle ich, dass es ihm irgendwas nützen wird.« Er sah auf die verkrümmte sterbliche Hülle des jungen Mannes hinab und schüttelte den Kopf. »Aber ich denke, er hat versucht, meine Frage zu beantworten.«
Zehn Meter entfernt beugte sich Peter über die Leiche des Söldners, den Randi erschossen hatte. Er tastete die Taschen des Toten ab und zog eine Brieftasche und einen Pass hervor. Eilig blätterte er durch den Pass und sah sich die letzten Einreisestempel an – Zimbabwe, Vereinigte Staaten und Frankreich, in dieser Reihenfolge, und alle innerhalb der letzten vier Wochen. Seine blassblauen Augen wurden schmal. Äußerst aufschlussreich, dachte er grimmig.
Er schob die Papiere in seine Tasche und ging zu einer von seinem Inhalt ausgebeulten Tornister hinüber, der ihm aufgefallen war. Der Tornister aus grobem, grünem Stoff stand allein in der nächsten Ecke. Und jetzt, wo er darüber nachdachte, erinnerte er sich, dass er zwei genau gleich aussehende Taschen in anderen Ecken des Raums gesehen hatte.
Peter klappte den Deckel des Tornisters auf und sah hinein.
Erschrocken sog er die Luft ein und starrte auf die beiden unterarmlangen, mit dünner Plastikfolie zusammengewickelten Stangen Plastiksprengstoff hinab. Sie waren durch Drähte mit einem Sprengzünder und einem Digitalwecker verbunden. Tschechisches Semtax oder amerikanisches C4, schätzte er, mit einem improvisierten Zeitgeber. Welcher Herkunft auch immer, er wusste, es war genug Sprengstoff, um einen gewaltigen Bums zu machen, wenn er in die Luft ging. Und jetzt sah er, dass die Ziffern auf dem Timer rhythmisch blinkten und mit unerbittlichem Gleichtakt auf null zusprangen.
Kapitel vierundvierzig
Das Weiße Haus
»Botschafter Nichols ist am Telefon, Sir«, sagte der Butler im Weißen Haus respektvoll. »Auf der abhörsicheren Leitung.«
»Danke, John«, erwiderte Präsident Sam Castilla und schob seinen Teller unangetastet zur Seite. Weil seine Frau auf Reisen war und die Lazarus-Krise von Stunde zu Stunde eskalierte, aß er zurzeit, wie auch heute Abend, gewöhnlich allein – von einem Tablett im Oval Office. Er nahm das Telefon ab. »Was gibt’s, Owen?«
Owen Nichols, der Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, war einer von Castillas engsten Verbündeten. Sie waren seit dem College befreundet, weshalb keiner der beiden es als angebracht erachtete, im Umgang miteinander auf Förmlichkeiten des politischen Protokolls Wert zu legen. Und beide Männer wussten, dass es nichts brachte, schlechte Nachrichten schönzufärben. »Der Sicherheitsrat tritt bald zur endgültigen Abstimmung über die Resolution zur Nanotechnologie zusammen, Sam«, sagte er. »Ich erwarte, dass es binnen der nächsten Stunde so weit sein wird.«
»So
Weitere Kostenlose Bücher