Die Lazarus-Vendetta
schnell?«, fragte Castilla überrascht. Die UN handelten sonst nie so rasch. Die Organisation legte vor allem Wert auf Einstimmigkeit und erging sich deshalb in langatmigen, fast endlosen Diskussionen. Er hatte geglaubt, es würde noch ein oder zwei Tage dauern, bis dem Sicherheitsrat die Nanotechnologie-Resolution zur Abstimmung vorliegen würde.
»So schnell«, bestätigte Nichols. »Die Debatte war von
Anfang an rein pro forma. Alle wissen, die Abstimmung ist nur dazu da, dieses verdammte Machwerk einstimmig zu verabschieden – es sei denn, wir legen ein Veto ein.«
»Was ist mit Großbritannien?«, fragte Castilla geschockt. »Der britische Botschafter, Martin Rees, sagt, sie können es
sich nicht leisten, in dieser Angelegenheit gegen den internationalen Konsens zu votieren – nicht nach den Enthüllungen, die beweisen, dass der MI6 in den geheimen Krieg gegen die Lazarus-Bewegung verstrickt war. Sie müssen diesmal gegen uns stimmen. Er sagt, der Stuhl des Premierministers wackelt bedenklich.«
»Verdammt«, knurrte Castilla.
»Ich wünschte, das wäre die schlimmste Nachricht, die ich habe«, sagte Nichols leise.
Der Präsident umfasste den Hörer fester. »Ich höre.«
»Rees wollte, dass ich auch etwas anderes weitergebe, das er aus dem britischen Auswärtigen Amt erfahren hat. Frankreich, Deutschland und einige andere europäische Länder haben hinter den Kulissen an einer weiteren bösen Überraschung für uns gearbeitet. Wenn wir gegen die Resolution des Sicherheitsrats ein Veto einlegen, planen sie, unseren sofortigen Ausschluss aus allen militärischen und politischen Entscheidungsgremien der NATO zu fordern – mit der Begründung, dass wir sonst möglicherweise die Mittel der NATO für unseren illegalen Krieg gegen Lazarus einsetzen.«
Castilla atmete ganz langsam aus, um den Zorn in den Griff zu kriegen, der in ihm aufwallte. »Die Geier kreisen anscheinend bereits.«
»Ja, so ist es, Sam«, erwiderte Nichols müde. »Wegen der Massaker in Zimbabwe, in Santa Fe und Paris und jetzt dieser Geschichten über von der CIA in Auftrag gegebene Morde, ist unser guter Name im Ausland vollkommen ruiniert. Für unsere so genannten Freunde ist das die perfekte Gelegenheit, uns auf die von ihnen gewünschte Größe zurechtzustutzen.«
Nachdem er das Gespräch mit Nichols beendet und aufgelegt hatte, saß Castilla noch eine Weile reglos da, den Kopf gesenkt unter der Last der Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hatte und die sich seiner Kontrolle entzogen. Er warf einen müden Blick auf die Großvateruhr an der gewölbten Wand. Fred Klein hatte gesagt, er glaube, Colonel Smith sei in Paris irgendeiner wichtigen Sache auf die Spur gekommen. Seine Mundwinkel sanken noch tiefer herab. Was immer das für eine Spur war, die Smith entdeckt hatte, er konnte nur hoffen, dass sie bald konkrete Fakten zum Vorschein bringen würde.
Paris
Den Bruchteil einer Sekunde lang starrte Peter auf die aktivierte Sprengladung hinab und konnte nicht anders, als die schiere Gründlichkeit zu bewundern, mit der ihre Gegner vorgingen. Wenn es darum ging, ihre Spuren zu verwischen, machten diese Typen keine halbe Sachen. Warum sich damit zufrieden geben, ein paar potenzielle Zeugen mundtot zu machen, wenn man zugleich auch das ganze Gebäude in die Luft jagen konnte? Der Timer tickte eine weitere Sekunde ab und rückte unbarmherzig dem vorherbestimmten Ende näher.
Er sprang auf und rannte zwischen Arbeitstischen und von Geschossen durchsiebter Computern hindurch auf Jon und Randi zu. »Raus hier!«, schrie er und deutete auf die Fenster.
»Sofort raus!«
Sie starrten ihn verständnislos an, offensichtlich irritiert von der plötzlichen Dringlichkeit in seiner Stimme.
Peter kam schlitternd vor den beiden zum Stehen. »In dem Gebäude ist mindestens eine gottverdammt große Bombe – wahrscheinlich mehr!«, erklärte er mit sich überschlagender Stimme. Dann packte er die beiden an den Schultern und zerrte sie zu den zwei Fenstern, durch die sie gekommen waren.
»Los! Macht schon! Wenn wir Glück haben, bleiben uns noch dreißig Sekunden!«
Endlich dämmerte Verstehen auf Jons und Randis Gesichtern.
Sie packten je eines der Seile, die noch immer durch die Fenster hingen. »Keine Zeit, die Gurte anzumachen«, rief Peter. »Das bloße Seil muss genügen.«
Smith nickte. Er schwang sich auf das Fenstersims, schlang das Kletterseil um seine Taille, zog es diagonal über die Brust und über die andere Schulter und wieder zurück
Weitere Kostenlose Bücher