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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Entschluß zu fassen.
    Auch anderes beunruhigte die Familie. Die Schatzfabrik war gebaut, und seit acht Tagen erprobte man die Apparate, die jämmerliche Ergebnisse ergaben. Lazare mußte bekennen, daß er einige Stücke schlecht zusammengestellt hatte. Er begab sich nach Paris, um seinen Meister Herbelin zu Rate zu ziehen und kam verzweifelt zurück: alles mußte von neuem gemacht werden; der große Chemiker hatte seine Methode inzwischen verbessert, was eine vollständige Abänderung der Apparate nötig machte. Inzwischen waren die sechzigtausend Franken bereits verschlungen; Boutigny weigerte sich, auch nur einen einzigen Sou darüber herzugeben: vom Morgen bis zum Abend sprach er mit der unerträglichen Verbohrtheit des praktischen und jetzt triumphierenden Mannes in bitterem Tone über die geschehenen Verschleuderungen. Lazare juckte es, ihn durchzuprügeln. Er hätte vielleicht alles im Stich gelassen, wenn ihn nicht der angstvolle Gedanke, die dreißigtausend Franken von Pauline in diesem Abgrunde verloren zu sehen, zurückgehalten hätte. Seine Rechtschaffenheit, sein Stolz lehnten sich dagegen auf: man konnte nicht so ein Geschäft preisgeben, das später Millionen einbringe.
    »Verhalte dich ruhig«, wiederholte seine Mutter, als sie ihn krank vor Ungewißheit sah. »So weit ist es mit uns noch nicht gekommen, daß wir nicht wüßten, wo wir einige tausend Franken hernehmen sollen.«
    In Frau Chanteau reifte ein Plan. Nachdem sie der Gedanke an eine Heirat zwischen Lazare und Pauline zuerst überrascht hatte, schien er ihr jetzt ganz annehmbar. Sie waren schließlich nur neun Jahre auseinander, ein täglich gutgeheißener Altersunterschied. Kam diese Geschichte nicht wie gerufen, um die Sache ins Reine zu bringen? Lazare werde in Zukunft für seine Gattin arbeiten, nicht mehr von seiner Schuld gequält werden und könne von Pauline selbst die nötige Summe borgen. Im Grunde allerdings wurde Frau Chanteau von unbestimmten Gewissensbissen bedrückt, von der Furcht vor einer schließlichen Katastrophe, dem Ruine ihres Mündels. Doch sie wies den Gedanken an ein solches Ende als unmöglich zurück: War nicht Lazare ein Mann von Genie? Er werde Pauline bereichern; sie mache ein gutes Geschäft. Ihr Sohn mochte arm sein, er war doch ein Vermögen wert, wenn sie ihn hergab.
    Die Heirat wurde in höchst einfacher Weise beschlossen. Eines Morgens fragte die Mutter das Mädchen in seinem Zimmer aus; Pauline öffnete ihr sofort mit heiterer Ruhe ihr Herz. Dann riet sie ihr, Müdigkeit vorzuschützen, und begleitete ihren Sohn allein zur Fabrik. Als sie ihm auf dem Rückwege ihren Plan eingehend auseinandersetzte, die Liebe der kleinen Base, das Passende einer derartigen Heirat, die Vorteile, welche jeder daraus ziehen werde, schien er zuerst verblüfft. Er hatte nie an dergleichen gedacht; wie alt war denn das Kind eigentlich? Dann war er tief bewegt. Gewiß, auch er liebte sie und werde tun, was man wolle.
    Als sie heimkehrten, war Pauline, um sich zu beschäftigen, gerade im Begriff, den Tisch zu decken, während ihr Onkel mit der ihm auf den Schoß gefallenen Zeitung Minouche beobachtete, die sich niedlich den Bauch leckte.
    »Nun, was ist los, man will heiraten?« sagte Lazare und verbarg seine Erregung unter einer geräuschvollen Munterkeit.
    Sie stand mit einem Teller in der Hand dunkelrot da, und das Wort war ihr wie abgeschnitten.
    »Wer will heiraten?« fragte der Onkel, als erwache er plötzlich.
    Seine Frau hatte ihn schon am Morgen verständigt; aber die leckerhafte Art, mit der die Katze die Zunge über ihr Fell führte, nahm ihn völlig in Anspruch. Er erinnerte sich indessen sofort.
    »Ach ja!« rief er.
    Dabei äugelte er die jungen Leute schalkhaft an, während ein schmerzliches Stechen im rechten Fuß seinen Mund verzerrte. Pauline hatte den Teller leise niedergestellt. Endlich sagte sie zu Lazare:
    »Wenn du willst, ich bin gern bereit.«
    »Vorwärts, abgemacht, umarmt euch«, sagte Frau Chanteau, während sie ihren Strohhut an den Nagel hängte.
    Das Mädchen ging mit ausgestreckten Händen zuerst auf ihn zu. Er nahm diese immer noch lächelnd in die seinen und scherzte:
    »Du hast also die Puppe beiseite geworfen? ... Darum also bist du eine solche Geheimniskrämerin geworden, daß man nicht einmal mehr zusehen durfte, wie du dir die Fingerspitzen wuschest! ... Und den armen Lazare hast du dir zum Opfer ausersehen?«
    »Oh, Tante, sage ihm, er möge schweigen, oder ich flüchte«, flüsterte sie

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