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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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wobei sich ihre Haare berührten; bald auch lehnten sie einen Augenblick aneinander, wenn sie eine purpurne Phiole mit Brom, die veilchenfarbene Probe einer Jodart betrachteten; oder sie beugte sich auch wohl neben ihm über die Instrumente, die den Tisch und das Klavier bedeckten; sie rief ihn, um sich von ihm bis zum obersten Brette des Schrankes emporheben zu lassen. Aber in diesen fast stündlichen Berührungen lag nichts anderes als erlaubte Liebkosungen, die ebenso gut vor den Augen der Eltern ausgetauscht werden konnten, eine gute, kaum durch einen Anflug von sinnlicher Freude erwärmte Freundschaft zwischen Vetter und Base, die sich eines Tages heiraten sollten. Sie waren, wie auch Frau Chanteau sagte, wahrhaft verständig. Als Luise kam und sich mit ihrem niedlichen Gesicht eines gefallsüchtigen Mädchens zwischen sie stellte, schien Pauline selbst nicht mehr eifersüchtig zu sein.
    Ein volles Jahr verstrich auf diese Weise. Die Fabrik arbeitete nunmehr und vielleicht war gerade die Sorge, die ihnen diese verursachte, ihr Schutzgeist. Nach einer schwierigen Wiederaufstellung der Apparate schienen die ersten Erfolge ausgezeichnet; allerdings war die Leistungsfähigkeit der Fabrik mittelmäßig, aber bei Verbesserung der Methode, Vermehrung der Sorgfalt und Tätigkeit mußte man es zu einer ungeheuren Produktion bringen. Boutigny hatte schon bedeutende Abnehmer verpflichtet, sogar zu weitgehende Verbindungen angeknüpft. Das Glück schien gesichert. Fortan machte diese Hoffnung sie eigensinnig; sie kämpften gegen die drohenden Anzeichen des Ruins; die Fabrik wurde zum Abgrund, in den sie das Geld mit vollen Händen schleuderten, immer in der Überzeugung, daß sie es in der Tiefe als Goldbarren wiederfinden würden. Jedes neue Opfer vergrößerte nur ihre Hartnäckigkeit.
    Anfangs nahm Frau Chanteau keine Summe aus dem Schubfach des Schreibsekretärs, ohne Pauline vorher davon zu verständigen.
    »Am Sonnabend müssen Zahlungen geleistet werden, Kleine, es fehlen euch dreitausend Franken ... Willst du mit mir hinaufsteigen, um das Papier auszuwählen, das wir verkaufen wollen?«
    »Aber du kannst es ja allein wählen«, sagte das Mädchen.
    »Nein, du weißt, ich tue nichts ohne dich. Das ist dein Geld.«
    Dann lockerte Frau Chanteau diese eigene Strenge. Eines Abends gestand ihr Lazare eine Schuld, die er Pauline verborgen hatte: fünftausend Franken für Kupferröhren, die man nicht einmal benutzte. Da die Mutter soeben mit dem Mädchen dem Schubfach einen Besuch gemacht hatte, kehrte sie allein dorthin zurück, entnahm angesichts der Verzweiflung ihres Sohnes die fünftausend Franken und faßte den Vorsatz, sie beim ersten Gewinn wieder zurück zu erstatten. Aber von diesem Tage an war die Bresche offen; sie gewöhnte sich daran und schöpfte, ohne zu zählen. Sie fand es schließlich verletzend in ihrem Alter, in steter Abhängigkeit von dem Willen eines Kindes zu sein und nährte gegen dieses einen geheimen Groll. Man werde jener ihr Geld schon wiedergeben; wenn es ihr auch gehöre, so sei es noch kein genügender Grund, um sich keinen Schritt mehr erlauben zu dürfen, ohne vorher ihre Einwilligung erbeten zu haben. Seitdem sie ein Loch in den Schubkasten gemacht, bestand sie nicht mehr auf die Begleitung Paulines. Diese fühlte sich dadurch erleichtert; denn trotz ihres guten Herzens waren ihr diese Besuche am Schreibsekretär peinlich: die Vernunft warnte sie vor einer Katastrophe, die kluge Sparsamkeit ihrer Mutter empörte sich in ihr. Zuerst wunderte sie sich über das Schweigen der Frau Chanteau. Sie fühlte wohl, daß das Geld nichtsdestoweniger davonfloß, daß man sich einfach ohne sie behalf. In der Folge aber gab sie diesem Vorgehen den Vorzug. Wenigstens hatte sie nicht das Mißvergnügen, den Haufen Papiere jedesmal kleiner werden zu sehen. Von da an fand zwischen den beiden zu gewissen Stunden nur ein hastiger Austausch von Blicken statt: starr und unruhig der Blick der Nichte, wenn sie ein neues Darlehen witterte; unstet derjenige der Tante, die es empörte, sich abwenden zu müssen. Es war so etwas wie Haß, was in ihnen zu gären begann.
    Unglücklicherweise wurde in diesem Jahr über Davoine der Konkurs eröffnet. Dieses Mißgeschick hatte man vorausgesehen, trotzdem war es ein harter Schlag für die Chanteau. Sie waren jetzt ausschließlich auf die dreitausend Franken Rente angewiesen. Alles, was sie aus dem Zusammenbruche retten konnten, waren zwölf tausend Franken, die sogleich in

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