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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Unpäßlichkeit der Frau Chanteau, wie er sich ausdrückte, gehört. Als er von der Bedenklichkeit der Krankheit erfuhr, nahm sein von der Sonne gebräuntes, von der frischen Luft erstrahlendes Gesicht den Ausdruck aufrichtigen Kummers an. Die arme Dame! War es möglich? Sie war ihm vor drei Tagen noch so rüstig vorgekommen! Dann fragte er nach einer Pause:
    »Darf ich sie sehen?«
    Er hatte dabei einen unruhigen Blick auf Lazare geworfen, er kannte diesen als ungläubig und sah eine Weigerung voraus. Aber der niedergedrückte junge Mann schien ihn nicht einmal verstanden zu haben. Pauline aber sagte bestimmt:
    »Nein, heute nicht, Herr Pfarrer. Sie kennt ihren Zustand nicht, Ihre Gegenwart würde sie beunruhigen. Wir wollen morgen sehen.«
    »Sehr wohl,« beeilte sich der Priester zu sagen, »ich hoffe, es drängt durchaus nicht. Jeder muß eben seine Pflicht tun, nicht wahr?... Der Doktor, der nicht an Gott glaubt...«
    Seit einem Augenblick betrachtete der Doktor starr einen Fuß des Tisches; der Zweifel, in den er stets verfiel, wenn er sah, daß die Natur ihm entschlüpfe, nahm seine Gedanken völlig in Anspruch. Trotzdem hatte er zugehört und schnitt dem Abbé Horteur das Wort ab. »Wer sagt Ihnen, daß ich nicht an Gott glaube? Gott ist nicht unmöglich, man sieht so wunderliche Dinge! ... Wer weiß?«
    Er schüttelte den Kopf und schien zu erwachen.
    »Warten Sie,« fuhr er fort, »Sie könnten mit mir zu dem braven Herrn Chanteau hineinkommen und ihm die Hand drücken... Er wird bald viel Mut nötig haben.«
    »Wenn es ihn zerstreut,« bot sich der Pfarrer gefällig an, »kann ich auch bei ihm bleiben und einige Partien Dame mit ihm spielen.«
    Damit schritten beide dem Speisezimmer zu, während Pauline sich beeilte, wieder zur Tante zu gehen. Lazare, der allein zurückgeblieben war, erhob sich, schwankte einen Augenblick, ob er gleichfalls hinaufsteigen solle, und horchte anfangs auf die Stimme seines Vaters, ohne den Mut zu besitzen selbst einzutreten; dann sank er wieder in der Untätigkeit seiner Verzweiflung auf den nämlichen Stuhl nieder.
    Der Arzt und der Priester hatten Chanteau damit beschäftigt gefunden, eine Papierkugel auf dem Tische herumzurollen, die er aus einem seiner Zeitung beigegebenem Prospekt geformt hatte. Neben ihm lag Minouche und schaute ihn mit ihren grünen Augen an. Sie verachtete dieses zu einfache Spielzeug, hatte die Pfoten unter den Bauch geschoben und scheute selbst vor dem Herausstrecken dieser zurück. Die Kugel war vor ihrer Nase liegen geblieben.
    »Ach, Sie sind es«, sagte Herr Chanteau. »Sie sind sehr liebenswürdig, ich unterhalte mich allein verwünscht schlecht... Nun, Doktor, geht es ihr besser? Ich beunruhige mich ihretwegen nicht. Sie ist die kräftigste im Hause und wird uns noch alle begraben.«
    Der Arzt ergriff die Gelegenheit, um ihn aufzuklären. »Zweifelsohne scheint ihr Zustand nicht geradezu bedenklich zu sein. Ich finde nur, daß sie sehr schwach geworden ist.«
    »Nein, nein, Doktor!« rief Chanteau. »Sie kennen Sie nicht. Sie hat eine unglaubliche Spannkraft... Ehe drei Tage vergehen, werden Sie sie wieder auf den Beinen sehen!«
    Er weigerte sich zu verstehen, weil es ihm ein Bedürfnis war, an die Gesundheit seiner Frau glauben zu können. Der Arzt, der ihm den Zustand nicht unverblümt schildern wollte, mußte schweigen. Übrigens konnte man ebensogut noch warten. Die Gicht ließ ihn zum Glück ziemlich in Ruhe, ohne ihm allzu heftige Schmerzen zu verursachen; nur die Beine wurden nach und nach immer mehr ergriffen, so daß man ihn schon vom Bette auf den Lehnstuhl tragen mußte.
    »Wenn die verwünschten Beine nicht wären, könnte ich ihr wenigstens einen Besuch machen.«
    »Bescheiden Sie sich, mein Freund«, sagte der Abbé Horteur, der seinerseits sein Trösteramt zu erfüllen wünschte. »Jeder muß sein Kreuz tragen. Wir sind alle in Gottes Hand.«
    Er bemerkte indessen, daß seine Worte, weit entfernt Chanteau zu stärken, ihn langweilten und schließlich sogar beunruhigten. Er schnitt daher als braver Mann seine Ermahnungen kurz ab und schlug ihm eine wirksamere Zerstreuung vor.
    »Wollen wir eine Partie spielen? Das wird Ihnen den Kopf klar machen.«
    Damit holte er auch schon das Damebrett von einem der Schränke. Chanteau drückte erfreut die Hand des Doktors, der sich jetzt entfernte. Die beiden Männer waren bereits in ihr Spiel vertieft und hatten schon die ganze Welt rings umher vergessen, als Minouche, zweifelsohne erregt

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