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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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durch die Papierkugel, die noch immer vor ihr lag, plötzlich auffuhr, die Kugel durch Schläge mit den Pfoten forttrieb und dann in tollen Sätzen um sie herumsprang:
    »Verdammtes, launisches Tier!« schrie Chanteau gestört. »Soeben wollte sie nicht mit mir spielen, und jetzt unterhält sie sich ganz allein und verhindert uns am Nachdenken!«
    »Lassen Sie nur,« sagte der Pfarrer voller Milde, »die Katzen belustigen sich mit sich allein.«
    Als Doktor Cazenove von neuem die Küche durchschritt, nahm er, beim Anblick Lazares, der immer noch niedergeschmettert auf dem nämlichen Stuhle saß, von einer plötzlichen Rührung ergriffen, diesen in seine starken Arme und küßte ihn väterlich, ohne ein Wort zu sagen. Veronika kam gerade herunter und jagte Mathieu vor sich her. Er trieb sich mit seinem Schnuppern, das den Klagelauten eines Vogels glich, immerfort auf der Treppe umher, und trat, sobald er die Tür des Krankenzimmers offen fand, ein und winselte in scharfen Tönen, deren schriller Klang die Ohren durchbohrte.
    »Marsch, marsch!« schrie die Magd, »deine Musik macht sie gewiß nicht gesund.«
    Als sie Lazare bemerkte, fuhr sie fort.
    »Führen Sie ihn doch irgendwo hin, schaffen Sie ihn uns vom Halse, es wird auch Ihnen gut tun.«
    Es war dies ein Befehl Paulines. Sie beauftragte Veronika, Lazare aus dem Hause zu schicken und ihn zu langen Spaziergängen zu zwingen. Er aber weigerte sich, es kostete ihn selbst eine Anstrengung, sich aufzurichten. Indessen hatte sich der Hund vor ihn hingestellt und von neuem zu heulen begonnen.
    »Der arme Mathieu ist nicht mehr jung«, sagte der Doktor, ihn betrachtend. »Teufel, er hat seine vierzehn Jahre«, antwortete Veronika. »Das hindert ihn aber nicht, noch heute wie ein Verrückter hinter den Mäusen her zu sein. Sehen Sie, er hat eine abgeschürfte Nase und rote Augen, weil er nämlich in der letzten Nacht eine unter dem Herde gerochen hat; er hat infolgedessen kein Auge geschlossen und meine ganze Küche mit der Nase durchwühlt, daß er noch das Fieber in den Pfoten hat. Ein so großer Hund wegen eines so kleinen Tieres, das ist lächerlich! Übrigens hat er es nicht nur mit den Mäusen, sondern mit allem was klein ist und krabbelt, die eintägigen Küchlein, die Jungen von Minouche reizen ihn derart, daß er die Lust am Trinken und Essen darüber verliert. Manchmal bringt er Stunden damit zu, unter einem Möbel herumzuschnüffeln, weil eine Schabe vorbeigelaufen ist... In diesem Augenblick, muß man wohl sagen, riecht er Außergewöhnliches hier im Hause.«
    Sie hielt inne, als sie bemerkte, daß Lazares Augen sich mit Tränen füllten.
    »Machen Sie doch einen Spaziergang«, hob der Doktor an. »Sie sind hier doch nicht zu gebrauchen und würden sich draußen besser fühlen.«
    Der junge Mann hatte sich schließlich mühsam erhoben.
    »Gehen wir,« sagte er, »komm, mein armer Mathieu.«
    Als er dem Doktor in den Wagen geholfen hatte, entfernte er sich mit dem Hunde längs der Abhänge. Von Zeit zu Zeit mußte er stehen bleiben, um Mathieu zu erwarten, der in der Tat sehr alterte. Sein Hinterteil wurde steif, man hörte seine dicken Pfoten wie Filzschuhe an der Erde nachschleifen. Er grub keine Löcher mehr in den Gemüsegarten, und fiel schnell betäubt nieder, wenn er sich nach seinem Schwänze drehte. Aber er ermüdete besonders schnell und hustete, wenn er ins Wasser sprang; nach einem viertelstündigen Spaziergänge legte er sich schon schnaufend nieder. Am Strande lief er seinem Herrn zwischen die Beine.
    Lazare blieb einen Augenblick unbeweglich stehen, um nach einem Fischerboote von Port-en-Bessin zu sehen, dessen graue Segel wie die Fittiche einer Möve das Wasser streiften. Dann schritt er weiter. Seine Mutter sollte sterben! Das dröhnte in mächtigen Schlägen durch sein ganzes Sein. Dachte er für einen Augenblick nicht mehr daran, so erschütterte ihn ein neuer, heftiger Stoß; es waren unaufhörliche Überraschungen, ein Gedanke, an den er sich nicht gewöhnen konnte, ein beständig sich erneuerndes Grauen, das für andere Gefühle keinen Raum bot. Indes selbst diese Vorstellung verlor für Augenblicke an Klarheit, und in ihm verblieb nur das schmerzlich unbestimmte Gefühl einer Beklemmung, in der die ängstliche Erwartung eines hereinbrechenden großen Unglückes das einzige Faßbare war. Während ganzer Minuten entschwand ihm seine Umgebung« Als er dann den Sand, die Algen und in der Ferne den ungeheuren Horizont wieder sah, schaute er

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