Die Lebenskünstlerin (German Edition)
zu mir nach Hause über Nacht einzuladen.“
Er trägt es mit Fassung und akzeptiert ohne zu Murren die Absage. Wir plaudern stundenlang freundschaftlich über unseren Alltag und unsere Probleme. Claus-Richard ist mir schließlich sehr vertraut und ich genieße unser Gespräch.
„Schade, dass du Spieler bist, sonst wären wir vermutlich ein Paar geworden.“
Er stimmt sofort zu und philosophiert: „Wer weiß, wie das Leben noch so spielt.“
Meine Therapeutin ist begeistert.
„Das mit Lukas hört sich gesund an“, freut sie sich.
„Selina, sprich ehrlich mit ihm über deine Ängste. Vielleicht kannst du im Spaß erwähnen, dass du manchmal ein bisschen Panik bekommst, wenn es zu schön wird. Er wird es verstehen.“
Sie packt mich voll mit guten Ratschlagen und stärkt mir den Rücken für dieses Abenteuer.
So gekräftigt fahre ich abends mit Tim zu Ricarda, deren Spülkasten im Badezimmer defekt ist. Mein Sohn hat die entsprechenden Ersatzteile eingepackt und die Spülung im Handumdrehen repariert.
Ich überlege, ob ich ihm von Lukas erzählen soll, lasse es aber vorsichtshalber bleiben. Obwohl mein Mittelungsbedürfnis mich fast zum Sprengen bringt.
Doch meine Söhne sind höchstwahrscheinlich einem potentiellen neuen Mann in meinem Leben gegenüber voreingenommen und voraussichtlich abweisend, da Konrad bei ihnen einen schlechten Eindruck hinterlassen hat. Nichts übereilen.
Übermüdet raffe ich mich auf, Lukas holt mich gleich zum Tanzen ab. Stefanie und Christa steigen anschließend ins Auto. Seit der Therapie heute Mittag bin ich ziemlich angeschlagen. Am Liebsten würde ich mich hinlegen.
Wir tanzen ein wenig, es ist übervoll hier. Dann passiert es: Ich bin in einer liebevollen Umarmung mit Lukas, als er mich kurz loslässt, um die bestellten Getränke zu bezahlen. Mir wird total schwindelig. Krampfhaft versuche ich Haltung zu bewahren.
Ein Schweißausbruch jagt den nächsten. Ich zittere und sehe nichts mehr.
Alles schwankt.
Als ich mich etwas fassen kann, versuche ich zu den Toiletten zu gelangen. Orientiere mich an den Fliesen, stoße umherstehende Gäste an und schleiche an der Wand entlang zum Klo.
Das kalte Wasser fließt über meine Handgelenke und verbessert kaum mein Befinden. Ich setze mich auf einen Klodeckel und zittere wie Espenlaub. Was mit mir los ist, weiß ich nicht.
Alkohol habe ich ja keinen getrunken. Doch kann ich mich daran erinnern, dass ich als Kind des Öfteren solche Ausbrüche hatte. Hoffentlich kommen jetzt nicht die ganzen alten Symptome wieder durch. Regressionsphasen nennt das die gute Valentina.
Dem beunruhigten Grüppchen erkläre ich, dass mein Kreislauf heute verrückt spielt und ich deswegen keine Lust zum Tanzen habe. Immerhin sage ich das und gebe mal zu, dass es mir nicht so gut geht. Ein kleines Wunder.
An Lukas gelehnt genieße ich seine Wärme und Nähe. Am Liebsten würde ich mich eine halbe Stunde oder ein ganzes Leben so halten lassen. So richtig fest. In meinem Kopf rauscht es noch, aber es ist auszuhalten.
Im Auto, nachdem die anderen zu Hause ausgestiegen sind, fragt Lukas, möglicherweise spaßeshalber oder gar im Ernst: „Zu dir oder zu mir?“
Was soll ich dazu sagen?
Nichts.
Auf dem Parkplatz vor meiner Wohnung verabschiede ich ihn, küsse die dargebotenen Lippen. Schmecken übrigens gut. Dann drücke ich ihn. Anschließend bin ich froh, alleine zu sein.
Käseweiß und hundemüde sehe ich meinem eigenen Spiegelbild entgegen. In ein paar Stunden bin ich wieder mit ihm verabredet.
Er ruft morgens an, mittags, abends. Scheint wirklich interessiert zu sein. Macht mir nette Komplimente, schmeichelt. Es ist richtig schön.
Fast zu gut, um wahr zu sein.
Ja, Amors Pfeil trifft niemals zufällig, sondern zielt nur auf diejenigen, welche sich als Zielscheibe zur Verfügung stellen.
In der Küche höre ich die Schubladen, die Schranktüren auf- und zugehen. Lukas kocht für mich, vegetarisch. Ein paar schnulzige Herzschmerzlieder dudeln auf der Stereoanlage, der Kamin knistert warm vor sich hin und die verwöhnten Katzen umgarnen mich.
Gemüse und Reis, danach einen üppigen Nachtisch. So verwöhnt bemühe ich mich, einfach nur zu genießen. Das habe ich auch mal verdient. Später spielen wir ein wenig Scrabble, aber unsere amüsante Unterhaltung schließt ein konzentriertes Spiel aus. Wir albern hirnlos herum, es tut so unendlich gut.
Innig schmuse ich mit einer Katze, als er unvermittelt aufsteht.
Ich weiß, was jetzt
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