Die Lebenskünstlerin (German Edition)
können. Er redet von seiner Frau, hat ihr Bild auf dem Nachtisch und sagt, sie hätte ihn betrogen und so verletzt, dass da nichts mehr sei.
Trotzdem vertraut er ihr dieses Schließfach an und einige Bankgeschäfte, weil er eben ein guter Kerl sei.
Er vertraut ihr, weil er zu feige ist, konsequent die Beziehung mit allen Auswirkungen zum Abschluss zu bringen.
Dass er sich nicht traut, umschreibt er mit: Er sei ein gutmütiger Kerl. Das ist doch gewaltiger Selbstbetrug.
Okay, er ist gutmütig und herzlich und liebevoll. Aber er scheint die Grenzen nicht zu kennen, wo er ausgenutzt wird und wo er Stellung beziehen muss.
So, und was ist mit mir? Wie gehe ich damit um?
Genügt es, wenn das blöde Bild verschwindet?
Will ich denn, dass er sich scheiden lässt und einen klaren Schlussstrich zieht?
Warte ich ab und setze mir einen Stichtag?
Akzeptiere ich, weil ein verheirateter Mann eine gewisse Distanz bietet, einen Abstand, den ich zum Vorwand nehmen kann, um mich selbst nicht so richtig einzulassen?
„Du bist verheiratet, redest von deiner Frau. Was bin ich für dich - deine Geliebte?“
Ich bin völlig durcheinander.
„Nein, du bist mein liebster Schatz und wenn ich diese Formulierung benutze, dann nur aus alter Gewohnheit, völlig emotionslos, bitte vertraue mir.“
Uff. Es fühlt sich nicht gut an.
Ich hasse diesen erneuten Gefühlswirrwarr in meinem Leben.
Na super. Irgendwann kommt der Tag, da können wir uns einen idealen Partner basteln. Doch bis dahin müssen wir unsere Defizite annehmen und bearbeiten und auch dem anderen Wachstum und Erkenntnis zugestehen.
Kann ich so was? Oder bin ich lieber kleinkariert und konzentriere mich auf seine Defizite, anstatt das Schöne dankbar anzunehmen und zu genießen?
Ich möchte gerne mit mir alleine sein. Ich habe Angst, die emotionale Unabhängigkeit, die ich mir in den letzten Wochen so tapfer aufgebaut habe, zu verlieren.
Zuhause fülle ich wie besessen mein Tagebuch.
Analysiere das Geschehene, mache Listen, wäge das Für und Wider einer Beziehung ab. Ich weiß, dass ich gerne schlau denke, aber dann trotzdem blöd handle.
Was soll ich bloß tun?
Mutlos blättere ich in meinem Büchlein herum. In dicken fetten Buchstaben steht hier:
Der Partner spiegelt das eigene Verdrängte.
In seiner unerklärlichen Gutmütigkeit, die an Irrsinn grenzt, fühle ich mich auf einmal gespiegelt. Monatelang habe ich selbst an einer Beziehung festgehalten, die mich zusehends zerstörte. Gewaltiger Selbstbetrug.
Lukas zeigt viel Gefühl und ist offensichtlich ehrlich zu mir.
Er hat ebenso Angst vor Verletzungen. Wer hat das nicht? Ich bin auch nur ein Mensch und mache Fehler. Genauso wie er.
Es genügt, wenn jeder sein Bestes gibt und nicht vorsätzlich verletzt. Dazu gehört auch, Ungereimtheiten anzusprechen, solange sie sich noch klären lassen.
Sex im Mondschein und kreative Schaffensphase
Wir reden lange und offen miteinander. Vielleicht haben wir ja eine Chance? Das wäre schön. Diese Beziehung hat einen Vertrauensvorschub verdient. Mut zum Risiko.
Lukas übernachtet bei mir. Wir liegen nach dem Sex im Bett und reden im Mondschein über unsere Vergangenheit. Immer abwechselnd. Er ist sehr anhänglich, es ist so wunderschön mit ihm. Viele Tränen, herzhaftes Lachen, alter Schmerz, Fassungslosigkeit über meine Vergangenheit.
Intimität wird innerhalb einer Beziehung anscheinend durch den Grad der Selbstoffenbarung definiert. Sex ist demzufolge das Sahnehäubchen zu der Beziehungstorte. Guten Appetit.
Dann lieben wir uns, das ist alles so einzigartig. Rührend. Bewegend. Innig. Heul, flenn, kaum zum Aushalten.
Es ist so einfach mit ihm, er ist so knuddelig und behutsam mit mir. Ich glaube, den gebe ich nicht mehr her.
Es geht mit gut mit ihm, er gehört jetzt einfach zu mir, ich sage innerlich deutlich JA zu dieser Liebe. Treffe bewusst meine Entscheidung.
Wer sich öffnet gibt dem anderen Macht, verletzt zu werden. Es trotz diesem Risiko zuzulassen, das ist wohl Liebe.
Was kann mir schon passieren? Wenn ich mich jetzt vor lauter Angst verschließe, kann ich doch nicht all das Großartige erleben.
Wenn es schief geht, jaule ich eben meinen Freundinnen wieder die Ohren voll, verlängere meine Therapie bis ins Greisenalter und bleib für immer und ewig alleine. Wirklich.
Doch jetzt will ich nur noch genießen und dieses Geschenk annehmen.
Es ist so himmlisch, sich unbekümmert mit diesem wunderbaren Mann auf dem Laken herumzusuhlen.
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