Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Revier markiert.
Lukas tanzt genauso wild und ausgelassen, wie ich es liebe. Begeistert schwingt er seinen ganzen Körper nach den Rhythmen. Mich lässt er dabei nicht aus den Augen. Das gefällt mir. Endlich stehe ich im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. So ganz desinteressiert ist er wohl doch nicht.
Den restlichen Abend genieße ich seinen vollsten Einsatz. Fürsorglich holt er mir Getränke, füttert mich mit Salzstangen. Bahnt den Weg frei, damit wir ungehindert nach dem Tanzen zum Tisch gelangen. Sogar zur Toilette begleitet er mich und wartet geduldig, bis ich aufgrund der langen Schlange vor dem Damenklo zurückkomme.
Ein wahrer Kavalier. Er fragt mich, ob es mir hier gefällt. Umsorgt mich fürstlich.
Soviel Fürsorglichkeit und Aufmerksamkeit sind mir nicht vertraut. Am Liebsten wäre ich jetzt erst einmal alleine, um all meine Gefühle und Gedanken in Ruhe und Sicherheit sortieren zu können. Beim Abschied bleibe ich noch ein paar Minuten in seinem Auto sitzen, da er mir interessiert Fragen stellt und mir tatsächlich mal zuhört.
Ohne Scheu berichtet er von seinem Therapeuten, nachdem ich ihm von meiner Valentina erzähle. Mich beeindruckt, dass er offensichtlich ehrlich reflektiert, wem er durch seine frühere Saufzeit Schaden zugefügt hat und welche Möglichkeiten er ungenutzt ließ.
Trotzdem ist es ihm gelungen, mit einem weiteren Gesellschafter, einen Verlag zu gründen und damit seit vielen Jahren erfolgreich zu sein.
In mir schwirren Gedanken und Gefühle, die sich überschlagen und überaus verwirrend sind. Deswegen will ich mich nun schnell verabschieden. Wir drücken uns, soweit es die Position auf den Vordersitzen zulässt. Lukas küsst sanft meine Wange.
Nervös und verlegen reiße ich die Beifahrertür auf und schlage sie hart an der Trennungsmauer zum Nachbargrundstück an. Das dumpf-blecherne Geräusch fährt mir durch alle Glieder.
Geschockt stammle ich: „Ich werde natürlich den entstandenen Schaden ersetzen, ich bin ja immerhin haftpflichtversichert, du brauchst dir keine Gedanken machen - es tut mir wahnsinnig leid.“
Lukas schüttelt verdutzt den Kopf und beruhigt mich: „Es ist doch bloß eine Autotür, das ist doch nicht so schlimm.“
Irritiert, weil ich einen heftigen emotionalen Ausbruch erwartet habe, wie ich es von Konrad her gewohnt bin, stottere ich noch irgendwas Hirnloses und verabschiede mich schnell, um dann im sicheren Hauseingang zu verschwinden.
Plus- und Minuspunkte bei Kaffee und Kuchen
Hunderttausend Gedanken schwirren in meinem Kopf, als ich wenig später im Bett liege. Das mit der Autotür beschäftigt mich am Meisten. Ich werde ihn morgen gleich wegen des Schadens anrufen und meiner Versicherung Bescheid sagen.
Wie konnte ich nur so stürmisch die Autotür aufreißen? Sonst gebe ich doch auch Acht. So was Dummes. Wie peinlich.
Das mit dem Schlafengehen gebe ich erst mal auf. Mein Tagebuch wird mit allen Einzelheiten des heutigen Abends vollgeschrieben. Plus- und Minuspunkte, detailliert aufgelistet.
Unruhig wälze ich mich später in meinem Bett, bis ich endlich etwas Ruhe finde.
Am Morgen habe ich mich ein wenig beruhigt. Objektiv gesehen ist es menschlich, dass auch mal ein Ungeschick passiert. Während ich mir überlege, wie und was ich Lukas sagen werde, klingelt der Telefonapparat.
Eine wohltuende männliche Stimme wünscht mir fröhlich einen guten Morgen.
Lukas.
Gänsehaut läuft mir den Rücken runter. Er hört sich keineswegs verärgert an, im Gegenteil. Trotzdem spreche ich sofort das Thema Autotür und Versicherung an.
Er beruhigt mich und lacht, das sei nun absolut nicht notwendig. So eine Autotür hält einiges aus und da würde man bestimmt nichts sehen, selbst wenn. Dann hätte er eine bleibende Erinnerung an einen wunderschönen Abend mit mir.
Ich fühle mich geschmeichelt, erleichtert, aber auch überfordert.
Wie gehe ich mit soviel Höflichkeit und Herzlichkeit um?
Verlegen stammle ich ein Danke .
Mit Vorwürfen kenne ich mich besser aus, da weiß ich, wie ich reagieren muss.
Lukas lädt mich morgen zu sich nach Hause zum Kaffee ein. Er würde uns einen Tortenboden mit frischen Erdbeeren belegen. Wo er mitten im Frühjahr welche herbekommt, das frage ich nicht.
Geduldig erklärt er mir, wie ich sein Haus finde, welche Straßen wegen Bauarbeiten gesperrt sind, da links, da rechts, Kreisel, Autobahn, Schnellstraße, Abfahrt, keine Ahnung.
Ich versichere, dass ich das schon finden werde. Allerdings ist
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