Die Lebküchnerin
gebracht hätte …
Sein Onkel, wie immer geschäftig, trat ein und musterte Konstantin missmutig von Kopf bis Fuß. »Die Tage auf der Burg sind dir gar nicht gut bekommen. Du siehst blass und erschöpft aus …« Er stockte und holte tief Luft. »Verzeih, ich sollte nicht so grob mit dir reden. Du hast immerhin den Vater verloren. Und hat der alte Kampfhahn Gevatter Tod mit der Lanze bedroht?«
Konstantin musste wider Willen lächeln. »Er hat bis zuallerletzt so ausgesehen, als wolle er in seine Rüstung springen und in den nächsten Kampf ziehen. Aber ich hoffe, Ihr könnt mir vergeben, dass ich Euch mit der ganzen Arbeit alleingelassen habe.«
»Auch wenn ich mit deinem Vater seit Jahr und Tag kein Wort mehr gewechselt habe, so verbeuge ich mich natürlich vor dem Toten. Und hat er wieder versucht, dich zum Bleiben zu bewegen?«
»Ja, fast bis zum letzten Atemzug«, seufzte Konstantin. »Und ich hatte so gehofft, dass Julian auf der Burg bleiben werde.«
Als Konstantin den Namen des Bruders nannte, verfinsterte sich Bertholds Miene. »Man hört ja Abenteuerliches über deinen Bruder. Ich kann nur hoffen, dass er sich nicht mehr in der Stadt aufhält. Es herrscht große Aufregung über das Geschehen in Engelthal. Der Provinzial hat geschworen, den Tod seiner Klosterknechte zu rächen.«
»Sind sie denn beide tot?«, fragte Konstantin erschrocken.
»Hat dein Bruder dir nicht erzählt, wie er sie auf der Flucht gemeuchelt hat?«
»Nein, ich glaube nicht, dass er es getan hat. Er kann keiner Fliege etwas zuleide tun.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Wenn einer das Schwert geschickt zu führen versteht, dann er. Wer sollte es sonst gewesen sein? Vielleicht die Nonne, die er entführt hat? Weiß er eigentlich, was er eurer Tante damit angetan hat? Ihr eigener Neffe hintergeht sie auf so üble Weise! Man überlegt, ob sie noch länger als Priorin tragbar ist, weil es in ihrem Kloster geschah. Und das, nachdem sich nun auch noch die neue Mystikerin des Klosters als kleine Betrügerin entpuppt hat. Mit einem Löffelbohrer oder einer Ahle soll sie sich die Wunden beigebracht haben. Das fügt dem Ansehen des Klosters gewaltigen Schaden zu.«
»Das … das tut mir wirklich leid«, stammelte Konstantin, war in Gedanken aber noch bei den toten Klosterknechten. Der eine hatte den Schlag auf den Kopf möglicherweise nicht überlebt. Doch um den war es kein bisschen schade, hatte der doch Konstantins edlem Pferd die schwere Verletzung an der Ferse beigebracht. Aber der andere? Den hatte er doch nur ins Gebüsch gestoßen. Und der hatte ihm doch auch unflätig und äußerst lebendig nachgeschrien, dass ihn der Teufel holen solle. So laut, dass Schwarzschnauz noch einmal zu ihm hingelaufen war. Ob der Hund den Kerl in die Hölle befördert hatte?
»Du weißt, ich mag Julian, aber es wäre besser, er ließe sich vorerst nicht in diesem Landstrich blicken.« Die Stimme des Onkels klang beschwörend.
»Keine Sorge, er ist weit fort und denkt nicht an Rückkehr.«
»Und hat er die Nonne wenigstens in Sicherheit gebracht?«
»Nein, Onkel, sie ist zwar entkommen, aber niemand weiß, wo sie sich aufhält.«
Wieder fiel ihm die junge Frau an, die so vertraut mit Schwarzschnauz zu sein schien, und langsam setzte sich alles zu einem Bild zusammen. Ob sie wirklich die Nonne war? Und ob sie Schwarzschnauz vor den Klosterknechten gerettet hatte? Wie es sich auch immer verhielt, er musste die junge Frau finden.
Die Hündin stieß ihn an. Konstantin verstand. »Ich muss die Tür öffnen, um dem Hund ein wenig Auslauf zu verschaffen«, sagte Konstantin entschuldigend, während er sich vom Tisch erhob. »Ich bin zum Essen wieder zurück.«
»Ja, geh nur, aber ich sage dir, die Sache gefällt mir nicht. Ich hoffe, das Ansehen der Familie wird nicht geschmälert. Wie konnte er nur solchen Unfug anstellen? Eine Nonne! Als gäbe es nicht genügend hübsche junge Frauen, die er ohne Schwierigkeiten hätte heiraten können.«
Da fiel Konstantin Alisa ein, die Tochter des Fechtmeisters Arnold, der er noch die Botschaft seines Bruders überbringen musste. Und das wollte er noch rasch vor dem Essen hinter sich bringen.
Nachdenklich trat er auf die Gasse hinaus. Ehe er sichs versah, war Schwarzschnauz verschwunden. Er rief nach ihr, er pfiff nach ihr, aber sie kam nicht. Warte nur, dachte er grimmig, dir bringe ich Gehorsam bei! Er stutzte. Ob der Hund ihn wohl zu dieser Frau führen würde?
33
An einem Stand auf dem Hauptmarkt
Weitere Kostenlose Bücher