Die Lebküchnerin
hastig hinzu: »Und bedenkt, es gibt Zeugen!«
Mit diesen Worten packte er Crippin, der immer noch am Boden kauerte, grob am Arm und zog ihn hoch.
Benedicta musste sich abwenden. Sie konnte dieses Elend kaum ertragen, doch dann fasste sie sich. »Ich begleite Euch, Meister Heller. Und Ihr werdet sehen, Euch wird nichts geschehen!« Dann wandte sie sich an den Büttel. »Wohin bringt Ihr ihn?«
»Bis morgen ins Lochgefängnis, dann wird Gericht über ihn gehalten. Danach muss das Urteil überall in der Stadt bekannt gemacht werden. Die erste Vollstreckung einer Strafe am neuen Bäckergalgen. Das Volk will doch dabei sein und das Ereignis feiern.« Letzteres klang beinahe entschuldigend.
»Ihr sollt Euch schämen«, schrie Benedicta den Büttel an, »einen Unschuldigen mitzunehmen!«
Der Büttel zuckte mit den Achseln. »Das ist mein Beruf. Ich hole sie nur, die Urteile sprechen andere.«
»Komm, lass gut sein, Brunhild. Geh nach Hause«, bat der Bäckermeister sie leise. Es klang gefasst, und er ließ sich widerstandslos mitnehmen. Benedicta indes dachte nicht daran, Meister Heller seinem Schicksal zu überlassen. Sie biss die Zähne zusammen und folgte ihm und dem Büttel mit gesenktem Kopf.
34
Vor der Tür des Rathauses blieb der Büttel unvermittelt stehen. »Willst du nicht lieber umkehren, Mädchen?«
Trotzig schüttelte Benedicta den Kopf. »Ich gehe so weit mit ihm, wie man mich lässt, damit ich weiß, wohin ich ihm Hilfe schicken kann.«
Der Büttel nuschelte etwas Unverständliches, das sich entfernt so anhörte wie »Dummes Frauenzimmer« und forderte sie unwirsch auf, ihm in das Kellergeschoss zu folgen.
Benedicta stieg die Treppe hinab, als könne sie nichts erschrecken. In ihrem Innern sah es anders aus. Je weiter sie in die Tiefe stiegen, desto unheimlicher wurde ihr zumute. Eine feuchte Kälte kroch ihr unter die Kleider. Sie fröstelte.
Crippin hatte inzwischen jeden Widerstand aufgegeben. Wie ein Lamm zur Schlachtbank so ließ er sich in das Lochgefängnis führen. Unten am Eingang warteten zwei Wärter. Einer war jung und kräftig, der andere schmächtig und wesentlich älter. Der junge Wärter nahm Crippin in Empfang. Benedicta wollte mitgehen, doch der Büttel hielt sie zurück.
»Du bleibst hier. Dort unten, das ist nichts für anständige Frauen.«
Der junge Wärter sah sie breit grinsend an und warf dem anderen einen fragenden Blick zu. Der Alte zwinkerte dem jungen Wärter zu.
»Wenn sie doch will. Wir haben gern ein wenig Gesellschaft in der Hölle.« Er lachte dröhnend. »Und vor allem so hübsche.«
»Bitte, Brunhild, bleibt, wo Ihr seid!«, bat Crippin, aber Benedicta wollte ihn in diesem Zustand nicht allein lassen.
»Warum sprichst du sie so hochherrschaftlich an? Ist sie etwa gar nicht deine Tochter?«, fragte der alte Wärter neugierig.
»Doch, doch, sie ist meine Tochter. Ich bin nur ein wenig durcheinander. Das ist alles zu viel für mich«, erwiderte Crippin rasch.
»Deiner Tochter wollen wir es nämlich nicht verwehren, uns bis zu deiner Zelle zu begleiten«, meinte der junge Wärter und fauchte den Büttel an. »Was glotzt du so, Alwis? Geh deiner Wege! Du hast deine Arbeit getan.«
Der Büttel rührte sich nicht vom Fleck und sah Benedicta bittend an.
»Nun, mach schon, dass du fortkommst!«, herrschte ihn der alte Wärter an und folgte dem anderen, der Crippin nun eine enge Treppe aus Stein hinabführte.
»Du brauchst mich nicht am Arm zu packen«, sagte der Bäckermeister leise. »Ich werde nicht flüchten.« Der junge Wärter ließ ihn los und wandte sich zu Benedicta um. »Wir werden gut zu ihm sein. Das verspreche ich dir!«
Benedicta nickte ihm dankbar zu. Seine tröstenden Worte änderten zwar nichts daran, dass Crippin in dieser Hölle gelandet war, aber sie machten es ein klein wenig erträglicher.
Sie gingen weiter durch einen langen dunklen Gang, der gar nicht enden wollte, bis ihnen ein ungepflegter, zahnloser Kerl entgegenkam. Aus der Tür, aus der er getreten war, wehte ihnen der Geruch von Essensabfällen entgegen. Er überdeckte den modrigen Gestank des Kellers, bevor er sich damit vermischte. Benedicta hielt sich die Nase zu, aber es war zu spät. Ihr wurde speiübel. Sie würgte.
Der Kerl, der Schwaden von Schweiß ausdünstete, trat ganz nahe an sie heran und hauchte ihr seinen fauligen Atem ins Gesicht. Gleich muss ich mich übergeben, schoss es ihr durch den Kopf, aber da fragte der Zahnlose bereits: »Was hast du denn verbrochen? Du
Weitere Kostenlose Bücher