Die Lebküchnerin
verschwinde, denn jetzt will ich meine Braut begrüßen.« Ohne Vorwarnung umarmte er die verdutzte Benedicta und flüsterte ihr ins Ohr. »Ich heiße Jost.«
»Mein liebster Jost, dass ich dich endlich wiederhabe!«, flötete Benedicta übertrieben hingebungsvoll und suchte Lukardes Blick. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte der bösen Bäckerstochter eine lange Nase gezeigt, aber sie konnte sich gerade noch beherrschen. »Zum Dank backe ich dir die köstlichsten Brote. Du findest mich in der Torgasse. Ich bin Brunhild und wohne bei Meister Heller«, raunte sie dem Zeidler zu, und der ließ sie schließlich los. »Mein Liebster, wie schön, dass du wieder bei mir bist!«, säuselte Benedicta.
Der junge Zeidler war bei der innigen Umarmung ein wenig rot geworden. »Ich muss jetzt meine Waren anbieten, aber ich komme wieder«, erklärte er hastig und winkte ihr noch einmal zu, bevor er mit den anderen Burschen von dannen zog.
Der unverschämte Gaukler hatte bereits das Weite gesucht. Schaulustige umringten den Brotstand.
»Schert euch fort!«, raunzte Benedicta die Menge an. Murrend gingen die Leute ihrer Wege, doch als sich ein Büttel den Weg zum Stand bahnte, blieben viele in der freudigen Erwartung stehen, dass doch noch etwas Spannendes geschähe.
Benedicta wollte schier das Herz stehen bleiben. Es war derselbe Büttel, der den Tumult vor Sankt Sebaldus geschlichtet hatte. Nun machte er allerdings nicht den Eindruck, als wolle er nur einen Streit schlichten. Im Gegenteil, er schaute entschlossen drein, als habe er Größeres im Sinn.
Benedicta ahnte auch schon, was ihn herführte. Man hatte sie entdeckt. Sie betete stumm, dass der Provinzial nicht allzu streng mit ihr verfahren möge, wenn man sie nun zurückbrachte. Der Büttel aber beachtete sie gar nicht, sondern wandte sich an Crippin.
»Seid Ihr Bäckermeister Heller?«
Crippin wurde leichenblass und nickte eilfertig.
Der Büttel reichte ihm einen Brotlaib aus seinem Beutel. »Ist das von dir gebacken?«
Crippins Hände zitterten, als er das Brot zur Hand nahm. »Ja, es ist mein Brot«, erklärte er unterwürfig. »Und ich weiß, dass ich kein Weißmehl benutzen darf und auch keinen Anis.«
Verdutzt musterte der Büttel den Bäcker. »Was du deinem Brot beimischst, ist dem Rat einerlei, solange dich keiner deshalb verklagt.«
»Aber … aber … was ist denn … was ist denn sonst nicht in Ordnung mit dem Brot?«, stammelte Crippin, während er den Laib fest an sich presste.
»Da du gestanden hast, dass es sich um dein Brot handelt, muss ich dich leider mitnehmen.«
»Aber wohin? Was habe ich getan?« Immer noch hielt der Bäckermeister den Brotlaib fest an den Körper gedrückt, als wolle er sich daran festhalten.
»Meister Heller, ich verkünde, dass das Stadtgericht dich wegen Betruges anklagt und dich deine Strafe als erster Nürnberger Bäcker am neuen Bäckergalgen verbüßen lassen will. Du hast dein Brot zu leicht gebacken …«
»Das kann nicht sein!«, schrie Crippin verzweifelt, wog das Brot in der Hand und erstarrte. »Nein, nein, das ist nicht von mir!«
»Angeklagter, du hast zugegeben, dass es dein Brot ist. Und es gibt Zeugen, die das morgen vor dem Stadtgericht beschwören werden. Zeugin ist Marta, die Frau des Krämers, Mathilde, die Magd des Patriziers …«
»Halt ein! Bitte! Das ist nicht mein Brot. Ich habe es nicht gebacken!«, brüllte Crippin aus Leibeskräften. »Ich habe es so nicht gebacken.«
»Halt den Mund!«, schnaubte der Büttel. »Der Zeuge, dass du es absichtlich getan hast, um mehr einzunehmen, ist dein eigener Lehrjunge Gieselbert.«
»Nein!«, schrie Crippin. »Das ist eine Verschwörung. Ich habe nie zu leichtes Brot verkauft. Ich bin ein Ehrenmann.«
Der Bäckermeister warf sich vor dem Büttel auf die Knie. Er war nun hochrot im Gesicht.
»Bitte, glaub mir doch! Das war ich nicht!«
Benedicta fühlte sich vor Schreck wie gelähmt. Sie warf einen Blick hinüber zum Stand von Meister Heller. Der grinste hämisch. Damit hatte sie nun den Beweis dessen, was sie bereits geahnt hatte. Das war die Rache des Weißbäckers.
»Bitte, lasst ihn frei! Er backt kein Brot zu leicht. Eher verwendet er zu viel Mehl als zu wenig!«
Ein zustimmendes Gemurmel erhob sich in der Menge. »Du vergreifst dich an dem Falschen!«, schrie jemand.
»Meister Heller würde uns nie betrügen«, bekräftigte lautstark ein anderer.
»Morgen wird das Urteil gesprochen«, entgegnete der Büttel schwach und fügte
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