Die Lebküchnerin
gesamtes Vermögen sollte einmal seinem Neffen Konstantin gehören, der gerade auf die Haustür zueilte.
Konstantin liebte es, vom Geruch der Gewürze umhüllt zu werden, wenn er das Haus betrat. Sofort war der Gestank der Gassen verflogen. Er schnupperte. Was war das? Der süße Duft, der jetzt vom Lagerhaus herüberwehte? Er schnupperte noch einmal. Zimt! Sein Onkel nahm ihn den Händlern als Stangen ab und ließ ihn von seinen Helfern zu Pulver zermahlen. Dabei hätte er bestimmt meine Hilfe gebraucht, meldete sich Konstantins schlechtes Gewissen.
Konstantin betrat das große Gesellschaftszimmer, setzte sich allein an den Tisch, an dem zwanzig Menschen Platz fanden, und wartete auf seinen Onkel Berthold. Natürlich hätte er ihn auch im Lagerhaus aufsuchen können, aber er wollte nach seiner längeren Abwesenheit lieber erst einmal unter vier Augen mit ihm sprechen. Er ist sicherlich verärgert darüber, dass ich so lange auf der Burg geblieben bin, sinnierte Konstantin. Hoffentlich wird er Verständnis dafür aufbringen, dass Vaters Beerdigung und die Übergabe der Ländereien an Adam mehr Zeit in Anspruch genommen haben als geplant.
Berthold war nicht an das Totenbett seines Bruders geeilt, denn die beiden hatten seit Jahrzehnten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Der alte Emmerich hatte den kinderlosen Berthold aus tiefster Seele dafür gehasst, dass er aus seinem Sohn, der ein tapferer Ritter hätte werden sollen, einen weichlichen Kaufmann gemacht hatte.
Konstantin seufzte. Er liebte seinen Onkel Berthold wie einen Vater. Der Onkel hatte so gar nichts von dem polternden Wesen seines älteren Bruders Emmerich und hasste die düstere Burg ebenso, wie Konstantin es tat.
Bereits in jungen Jahren hatte der Onkel dem niedergehenden Rittertum den Rücken gekehrt, in Nürnberg die Tochter eines Gewürzhändlers geheiratet und den Handel seines Schwiegervaters mit den Jahren ausgeweitet. Das bot sich geradezu an, denn durch die Stadt führten gleich mehrere der wichtigsten Handelsstraßen. Berthold von Ehrenreit hatte vor vielen Jahren damit begonnen, Gewürze und Kräuter in großen Mengen zu erstehen. Er verkaufte sie nicht nur in der Stadt weiter, sondern schickte seinerseits eigene Händler in die umliegenden Städte, die fernab der Handelstraßen lagen. Bertholds Kunden waren Bäcker, die Adligen der Umgebung, der Burggraf und reiche Kaufleute und Handwerker, die sich orientalische Gewürze leisten konnten. Auch Apotheker kauften bei ihm, weil viele Kräuter und Gewürze nicht nur der Veredelung von gutem Essen dienten, sondern auch der Heilung von allerlei Krankheiten.
Berthold von Ehrenreit hatte nach dem frühen Tod seiner Frau im Kindbett nicht wieder geheiratet. Den Verlust von Frau und Kind hatte er nie ganz verwunden. Er genoss großes Ansehen in der Stadt Nürnberg, war aber nicht im Rat der Stadt vertreten. Man hatte ihm zwar einen Ratsherrensitz in Aussicht gestellt, aber er strebte nicht nach einer derartigen Stellung. Sein Einfluss war groß genug, und die meisten mächtigen Männer der Stadt waren ihm wohlgesinnt, sodass er seine Ziele auch durchsetzen konnte, ohne kostbare Zeit im Rat zu vergeuden.
Das Bellen des Hundes, der die Ankunft des Onkels ankündigte, erinnerte Konstantin wieder an seine merkwürdige Begegnung vor Sankt Sebaldus. Mit dieser jungen Frau, die behauptete, Schwarzschnauz sei ihr Hund. Und wieso hatte ein einfaches Mädchen die Hündin Artemis genannt? Wie die Göttin der Jagd?
Und plötzlich wusste er, dass mit dieser jungen Frau etwas nicht stimmte. Die edlen Gesichtszüge, die grobe Kleidung, die gebildete Art zu sprechen. Das passte alles nicht zusammen. Und war es nicht auch erstaunlich gewesen, wie offen Schwarzschnauz auf die Unbekannte zugesprungen war? Wie sie sich von ihr hatte kraulen lassen? Schwarzschnauz war sehr wählerisch, von welchen Menschen sie sich anfassen ließ. Und sie ging selten von sich aus auf andere zu. Frau und Hündin schienen sich gut zu kennen, aber woher?
Konstantin ärgerte sich, dass er sie weder weiter beachtet noch ihr Fragen gestellt hatte. Und jetzt würde er sie sicher nicht wiederfinden. Er hatte schließlich keinerlei Anhaltspunkte, wer sie war, doch dann stutzte er. War sie nicht eine auffällig große und schlanke Erscheinung, hatte dunkle Locken und … Konstantin hielt die Luft an. Er traute sich gar nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Wenn sie nun jene Nonne war, deretwegen Julian sich beinahe um Kopf und Kragen
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