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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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widerrufen konnte.
    Auf dem Weg zum Gefängnis löcherte Meister Ebert seinen Sohn fortwährend mit der Frage, warum er das getan habe. Aber Gieselbert blieb dabei, dass er es aus Rache getan habe. Weil die beiden Weiber aufgetaucht seien.
    Als sie beim Rathaus ankamen, zögerte Benedicta einen Augenblick lang, ob sie mit hinunter in das Lochgefängnis steigen sollte.
    Schließlich überwand sie ihren Ekel und begleitete Meister Ebert und seinen Sohn die Treppe hinab. Der junge Wärter sah sie an wie einen Geist. In seinem Blick stand Todesangst.
    »Geh zum Siechkobel, Weib!«, ächzte er.
    »Was soll das heißen? Hat sie etwa …«, fragte der ältere Wärter ängstlich.
    »Euer Freund wollte einen seltsamen Dank dafür, dass er mich zuvor gut behandelt hatte. Und da gestand ich ihm, dass ich an Aussatz leide«, entgegnete Benedicta so laut, dass es alle hören konnten.
    »O Gott!«, entfuhr es dem alten Wärter, und er sprang einen Schritt zurück.
    »Keine Sorge! Ich bin gesund, aber er hat von mir abgelassen. Das war der Sinn meiner Erklärung. Weißt du eigentlich, zu welchem Zweck dein Freund junge Frauen in die Tiefe lockt?«
    Der alte Wärter schüttelte entschieden den Kopf. »Keine Ahnung, was er dort unten treibt. Mir kam es schon immer seltsam vor, dass er die jungen Mädchen zu den Gefangenen lässt.«
    »Ich höre wohl nicht recht!«, brüllte der junge Wärter wütend. »Du bist es doch, der jedes Mal hinterher haarklein wissen will, wie es mit den Jungfrauen war. Hast du mich nicht vorhin in allen Einzelheiten ausgefragt, wie es mit diesem barmherzigen Mädchen gewesen ist, das dem Bäcker das Weißbrot brachte?«
    Meister Ebert horchte auf. »Heißt das etwa, du lockst die Mädchen hierher, damit sie dir gefällig sind? Das wird ein Nachspiel haben. Ich werde dich beim Rat anschwärzen. Dann bist du die längste Zeit Wärter gewesen. Und jetzt führ uns zu Meister Heller!«
    Der junge Wärter wurde kreidebleich und stammelte. »Aber … aber … ich … ich …«
    Benedicta jedoch hörte dem Geplänkel der Männer gar nicht mehr zu, sondern lief an den Wärtern vorbei und gab den anderen ein Zeichen, ihr zu folgen.
    »Er muss uns gar nicht begleiten. Ich kenne den Weg!«, rief sie und führte Ebert und seinen Sohn nun mit schlafwandlerischer Sicherheit zu der Behausung des Lochwirts. Als er Benedicta erkannte, zog er ein säuerliches Gesicht.
    »Bring uns zu Meister Heller!«, befahl Ebert.
    »Aber die kommt nicht mit«, entgegnete der Lochwirt und deutete auf Benedicta.
    »Ich sagte, lass uns zu Meister Heller!«, fauchte Ebert. »Sonst werde ich mich beim Rat beschweren, dass es hier zum Gotterbarmen stinkt und dass du den Gefangenen nichts zu essen gibst. Dann bekommst du in Zukunft mit Sicherheit weniger Geld.«
    Wortlos humpelte der Lochwirt voran. Dass er ein Bein nachzog, war Benedicta bei ihrem ersten Besuch gar nicht aufgefallen. Schließlich erreichten sie Meister Hellers Zelle.
    Benedictas Herz tat einen Sprung bei der Vorstellung, wie er sich wohl über die gute Nachricht freuen würde. Der Lochwirt schloss die Zelle auf, warf einen Blick hinein und erstarrte. An seiner Miene erkannte Benedicta, dass etwas Schreckliches geschehen war.
    Mit einem Schrei stob sie an den Männern vorbei in die schmutzige Zelle. Da lag Meister Heller leblos vor der Bank. Als wäre er dort eingeschlafen. Wären da nicht seine weit aufgerissenen Augen gewesen. Und dann erst wurden die Spuren seines Todeskampfes sichtbar. Seine Hände waren wie die Krallen eines Raubvogels gespreizt. Sein Mund wie im Schrei erstickt und vor Schmerz verzerrt.

36
    Benedicta vermisste den Bäckermeister schmerzlich. Der einzige Trost in diesen schweren Tagen war die viele Arbeit, die Anselm und sie nun allein schaffen mussten, und die überraschende Rückkehr von Artemis. Wenige Tage nach Crippins Tod hatte sie plötzlich vor der Tür gestanden. Seitdem war die Hündin bei ihr.
    Und mit der treuen Artemis an der Seite wollte sie an diesem Tag endlich etwas über Julians Schicksal herausbekommen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie beim Haus des Fechtmeisters Arnold ankam, denn wenn jemand etwas über den Verbleib seines Schülers wusste, dann bestimmt er. Bislang hatte sie nicht gewusst, wie sie das hätte bewerkstelligen sollen, ohne ihren wahren Namen preiszugeben. Als Brunhild konnte sie schlecht an Meister Arnolds Tür klopfen und nach dem Fechtmeister Julian von Ehrenreit fragen, ohne Verdacht zu erregen. Nun aber

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